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Anonyme Anrufe, Flyer am Auto Anonyme Anrufe, Flyer am Auto: Abwerbeversuche von Pflegekräften - Klinikum Dessau als Ziel

Von Tim Fuhse 05.10.2019, 05:42
Das Städtische Klinikum Dessau.
Das Städtische Klinikum Dessau. Thomas Ruttke

Dessau - Es sind Methoden, die eher an einen Agenten-Thriller erinnern. Der raue Wettbewerb um begehrtes Pflegepersonal hat auch Dessau erreicht.

Das Städtische Klinikum muss sich seit geraumer Zeit gegen aggressive Abwerbeversuche wehren. „Diese äußern sich in anonymen Anrufen auf den Stationen und Abteilungen“, berichtet Pflegedienstleiter Daniel Behrendt gegenüber der MZ. Außerdem würden auf Mitarbeiterparkplätzen entsprechende Flyer an Autos befestigt.

Konkurrenzkampf um Pflegekräfte wird mit harten Bandagen geführt

Andere Krankenhäuser haben die Bauhausstadt offenbar als Rekrutierungsgebiet entdeckt. Anonyme Anrufe und Flyer am Auto sind dabei nicht die einzigen Lockangebote für die rund 700 Pflegekräfte, die das städtische Krankenhaus derzeit beschäftigt. Auf dem regionalen Markt wird zunehmend mit harten Bandagen um die Facharbeiter gestritten.

Das Helios Park-Klinikum in Leipzig und die Asklepios Klinik Weißenfels buhlen derzeit mit einmaligen Handgeld-Zahlungen von bis zu 6 000 beziehungsweise 10 000 Euro um Pflegekräfte. Wie die Asklepios-Klinik gegenüber dieser Zeitung bestätigte, wurden so in Weißenfels bereits zehn neue Mitarbeiter angeworben.

Für die Anrufe und Flyer in Dessau sind die beiden Häuser nach eigenen Angaben aber nicht verantwortlich. „Wir machen das nicht“, sagt Asklepios-Sprecher Stefan Böttinger. „Es gibt eine gewisse Ethik, gewisse Grenzen.“ Solche aggressiven Methoden seien unnötig, man setze auch keine Headhunter ein. Gute Arbeitsbedingungen seien ohnehin wichtiger als Marketing-Instrumente.

Das Leipziger Helios Park-Klinikum distanziert sich ebenfalls von den Praktiken. Man setze beim Rekrutieren auf Zeitungsanzeigen oder Messen und sei selbst schon Ziel von aggressiven Abwerbeversuchen geworden. „Wir haben das erlebt“, sagt Sprecher Stefan Möslein. Am eigenen Klinikum seien ebenfalls Postkarten an Autoscheiben befestigt worden. Ein ähnliches Vorgehen wie in Dessau.

Reaktion auf Abwerbeversuche: „Feedback unser Mitarbeiter ist eher negativ“

Vor Ort laufen die Rekrutierungsmanöver bislang allerdings ins Leere. „Das Feedback unserer Mitarbeiter hierzu ist insgesamt eher negativ“, schildert Pflegedienstleiter Behrendt. „Sie empfinden diese Bemühungen der Personalgewinnung als sehr unseriös.“ Die Pflegekräfte würden von den verzweifelten Maßnahmen auf akuten Personalnotstand und damit mutmaßlich schlechte Arbeitsbedingungen beim Anwerber schließen.

Dass Krankenpfleger auf dem Arbeitsmarkt rar sind, spüren derweil auch die Dessauer. „Wie in der gesamten bundesweiten Krankenhauslandschaft müssen auch wir uns um eine kontinuierliche Gewinnung von Pflegefachkräften bemühen“, so Behrendt. Man setze auf gute Rahmenbedingungen: eine solide Personalbesetzung, Teams mit flachen Hierarchien, Tariflohn, flexible Dienstpläne oder die betriebseigene Kita.

Dessauer Klinikum bildet Nachwuchs an eigener Pflegeschule aus

Außerdem bilden die Dessauer an der eigenen Pflegeschule selbst Nachwuchs aus. Laut Behrendt bleibt ein Großteil der Azubis nach der Lehre am Klinikum. Ziel sei eine langfristige Bindung der Mitarbeiter ans Krankenhaus - deshalb gebe es in Dessau auch keine Handgelder für neue Pflegekräfte. „Bonuszahlungen sind für uns keine Option“, bestätigt Behrendt. Das Stammpersonal sei genauso wichtig wie die Neueinsteiger.

Das Städtische Klinikum ist nach eigenen Angaben der drittgrößte Medizinstandort in Sachsen-Anhalt. In 19 Fachkliniken mit rund 700 Betten werden pro Jahr rund 30.000 Patienten stationär und etwa 66.000 Patienten ambulant behandelt. Rund 1.400 Mitarbeiter kümmern sich um sie. (mz)