Anhaltisches Theater in Dessau Anhaltisches Theater in Dessau : "Maria Stuart" hinter dem Eisernen Vorhang

Dessau - Das nennt man wohl Liebe auf den ersten Blick: Er hat ihn gesehen und wollte ihn unbedingt haben. Es geht um Ralf Siebelt und den Eisernen Vorhang im Anhaltischen Theater. „Der ist super“, schwärmt der Regisseur. Die Nieten, die Platten - ein so schönes Exemplar gebe es selten. Und weil der „Eiserne“ optisch so gut in die Geschichte von „Maria Stuart“ passt, soll der ursprünglich für den Brandschutz gedachte Vorhang in seine Inszenierung eingebaut werden. Wie genau, das können die Theaterbesucher am Freitag, dem 19. Februar, um 19.30 Uhr zum ersten mal sehen. Dann hat Friedrich Schillers Trauerspiel im Großen haus Premiere.
Eindrucksvoll, wie der Eiserne Vorhang es ist, darf es sein in Ralf Siebelts Inszenierung. Nur effekthascherisch und plakativ nicht. „Eimerweise Theaterblut, das werden Sie bei mir nicht finden“, betont der Regisseur, der in der aktuellen Spielzeit auch Elfriede Jelineks „Winterreise“ in Dessau inszeniert hat. Ihm geht es um subtileres. Der Regisseur hat vor allem die Figuren im Blick und ihre Beziehungen zueinander. In „Maria Stuart“ geht es um Macht, Intrigen, Verrat, Religion und Liebe. Themen, aus denen auch die besten TV-Serien gestrickt sind. „Das Stück ist ein ganz moderner Polit-Krimi“, so Siebelt. Und Themen, die auch in der heutigen Gesellschaft aktuell sind. „Daran erkennt man einen wahren Klassiker“, sagt Dramaturgin Almut Fischer.
Der aktuellste Bezug mag nahe liegen: „Maria Stuart könnte man als berühmteste Asylsuchende der Geschichte beschreiben“, sagt Ralf Siebelt, betont aber, dass es zu kurz gedacht sei, Schillers Trauerspiel allein auf die Asyldebatte zu beziehen. Der Regisseur stellt viel allgemeiner die Frage, ob Menschen in Machtpositionen noch menschlich sein und menschlich handeln können.
„Maria Stuart“ von Friedrich Schiller feiert am Freitag, dem 19. Februar, zum 14. Mal Premiere in Dessau und ist laut Dramaturgin Almut Fischer damit der am häufigsten gespielte Klassiker in der Stadt.
Zum ersten Mal war er bereits ein Jahr nach der Uraufführung in Weimar, am 8. November 1801 zu sehen. Der Regisseur von damals ist nicht bekannt. Zum letzten Mal gelangte Schillers Trauerspiel 1994 auf die Bühne des Anhaltischen Theaters. Helmut Straßburger führte Regie. Eine dürfte sich auf jeden Fall daran erinnern: Damals war Christel Ortmann als Elisabeth zu erleben. In der Inszenierung von Ralf Siebelt übernimmt die Schauspielerin die Rolle der Amme Hanna Kennedy.
Auf den Dessauer Theaterbrettern wird der Machtkampf zwischen Elisabeth I. (Illi Oehlmann) und Maria Stuart (Katja Sieder) in einem abstrakten Raum ausgetragen. Viel erinnert an einen Kerker. Bewegliche Wände und Licht machen Bühnenbild von Jürgen Lier wandelbar. „Der Raum ist wie ein weiterer Mitspieler“, so Siebelt.
Zusätzliche Atmosphäre kommt durch Sound-Collagen aus dem Lautsprecher. „Sie sind ganz authentisch hier im Haus entstanden“, erklärt Almut Fischer. Johannes „Jojo“ Büld ist vorab durchs Anhaltische Theater gewandelt, hat Geräusche aufgenommen und sie zu synthetischen Klängen umgewandelt.
Trotz aller Modernität. „Maria Stuart“ bleibt bei Siebelt ein echter Schiller. Der Text beispielsweise ist der, den der Dichter vor rund 200 Jahren notiert hat. „Wir versuchen Schiller 2016 zu zeigen, aber im Gewand, das Schiller vor 200 Jahren entworfen hat“, so Siebelt.
Im wahrsten Sinne. „Es gibt keine Hosenanzüge“, sagt Katja Schröpfer. Stattdessen hat die Kostümleiterin des Anhaltischen Theaters die Silhouetten der Kostüme an der historischen Kleidung des 16. Jahrhunderts angelehnt und mit modernen Schnitten und Materialien umgesetzt. Da trifft dann schon mal Stehkragen auf Reisverschluss und Jeansstoff - als Brückenschlag vom 16. Jahrhundert ins Jetzt. (mz)