1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Anhaltisches Theater: Anhaltisches Theater: Harte Rhythmen und lichte Visionen

Anhaltisches Theater Anhaltisches Theater: Harte Rhythmen und lichte Visionen

Von Thomas Altmann 12.11.2001, 19:39

Dessau/MZ - Eine "Apotheose des Tanzes" nannte Richard Wagner Beethovens Siebente Sinfonie. Chefchoreograph Gonzalo Galguera macht daraus ein berauschend leichtfüßiges Fest in bewegt bewegenden Körperbildern, und das, obwohl die Inkubationszeit der Freude viel zäher ist als die des Leides.

Die Choreographie zu Beethovens Siebenter Sinfonie war wohl der lichte Glanzpunkt der Premiere von "tanZeit 1" am vergangenen Freitag im Anhaltischen Theater. Drei Uraufführungen von Gonzalo Galguera führten nicht nur in verschiedene Epochen, sondern auch in verschiede Stilebenen. Auf hämmernde Rhythmik folgten alsbald schwebend entfernte Gesänge und klassisch symphonische Visionen.

Von "beauty instinkt" zu "cum angelis" springt das konträre Programm, von Techno zu Gregorianischen Gesängen, von schlagender Unverbindlichkeit zu geistlichen Kompositionen im Dienste der Textdarstellung. Aber hier wie da blickt, traktiert von Stromschlägen oder umhüllt von Spiritualität, allemal der Mensch durch. Nichts verliert sich in Abstraktionen, auch wenn das keine Handlungsballette sind.

Obwohl die zerhackten Bewegungen der technophilen Figuren in leuchtend beißendem Grünblau bis ins letzte Detail, bis in die Fingerspitzen ausgeformt sind, beherrscht "beauty instinkt" - das erste Stück des Abends - eine recht schlichte, duale Parteilichkeit der Kostüme und Bewegungen. Wenn aber die Musik aussetzt, dann hat es den Anschein, als ob die hämmernden Schläge nur dafür da sind, um die Stille, diesen Riss im Rhythmus, zu mehren. Im kriechenden a capella Tanz am Boden werden die Tänzer auf sich selbst zurückgeworfen. Diese Ruhe im Lärm, dieser Einschnitt in die Unverbindlichkeit hat Wirkung.

"Gloria in exelsis deo" - das beeindruckt, selbst wenn die Bühne ein schwarzes Loch wäre. Im Bühnenbild von Manuela Geisler wird das Firmament von Säulen und Streben gestützt, die an gekreuzigte Leiber erinnern. Das ist der Blick auf das Lösegeld, der unter diesem machtvollen Aspekt alle Geistigkeit zu kreuzigen scheint. So ein Himmel hat seinen Preis. Nur das Licht ist zuweilen von einer unangenehmen Farbigkeit.

In dieser Apsis des gedemütigten Fleisches riecht es ein bisschen nach Verdunklung des "dunklen Säkulums". Aber der Tanz macht aus Gewandfiguren temporär Personen. Nicht selten sind die Bewegungen pointierter und schneller als die schwebenden Gesänge. Den Gesten der Demut folgen Gesten der Erniedrigung und ein Rollenspiel zwischen Fallen und Erheben. Längst vor dem Ablegen der Mönchskutte, der scheinbaren Verzichtserklärung auf die eigene Persönlichkeit, gibt es Anfragen an die Rolle selbst. Am Ende tragen alle wieder ihre Gewänder und gehen in der geräuschlos etablierten Ruhe ihres Standes von der Bühne.

Schleichend, fliehend oder keck hüpfend erläuft sich das Ballett den Raum und die Choreographie von Gonzalo Galguera die Siebente Sinfonie. Das ist ein Tanz der Läufer, der seine Bilder doch nicht an Bewegungen verliert.

Vor einer Projektionswand streben Pfeiler nach oben. Nur leider machen Lämpchen aus diesem Eiferturm eine Lichtorgel, schieben das schöne Bühnenbild in die Nähe des Varietees. Nicht nur die auf eine Leinwand projizierte Bewegungsstudie, sondern auch die Choreographie erscheint wie mit einem lockeren Strich aus dem Handgelenk gezeichnet.

Nach den beruhigten Bildern des 2. Satzes, in dem Meylem Gonzáles im größten solistischen Part des Abends überzeugte, wird der dritte Satz zu einer übermütigen Neckerei. Da wird in Dreierbeziehungen geschubst und geschoben. Da beißen sich Emma-Jane Morton und Celia Millán schon mal in den Händen von Michael Ihnow fest oder ziehen an seinen Wangen. Diese beinah pantomimischen Szenen sind voller Witz und Frische. Auch der Finalsatz wird zu einer lichten Vision voller Vitalität ohne Pathos. Die Siebente Sinfonie ist für Gonzalo Galguera "wie ein Wunsch", und manch ein Wunsch geht eben in Erfüllung.

Die nächste Vorstellung gibt es Sonnabend um 17 Uhr während des DessauBallett-Festes.