Anhaltisches Theater Anhaltisches Theater: Ein kleiner Tropfen Schmalz fließt aus der Stolle
Dessau/MZ. - Da kippt kein Stuhl und zerfrisst keine Ballade das Herz. Trotzdem wackelte unweigerlich das Knie. Der Rhythmus war familiär, die Konsonanz Kumpanei.
Die Muldebuben betreiben Jazz im Ehrenamt und arbeiten sonst etwa als Bühnenbildner oder Dramaturg. Nach langer Pause saß der ehemalige Chefdramaturg Wolfgang Lange am Klavier und wurde mit Applaus begrüßt. Die breiten Binder sind nicht en vogue, aber lindgrün. Spätestens bei "Oh When The Saints" wurde der Rhythmus zum Virus. Dann kam auch noch der Charme der Ballade "Sentimental Journey" zum Glimmen.
Zum swingenden Quintett gesellte sich ein Terzett, welches die weihnachtliche Harmonielehre literarisch befragte. An den Texten hätte jeder Therapeut seine Freude. Silvia Rhode übernahm die Kritik am trauten, verlogenen Heim. Die unheilige Gruppentherapie unterm Tannenbaum geriet zum Debakel. Rhode als Töchterlein "Dicki" rezitierte die Bescherung: "Zicke, Zacke, Hühnerkacke". Dann gab es (als Alibi?) noch "Momo" von Michael Ende.
Die Schauspieler Rainer Böhm und Hans-Jürgen Müller-Hohensee entwickelten ihre Polarität zum Paradox. Hier wechselten pastorale Ambitionen mit polterndem Sarkasmus. Rainer Böhm hat offenbar mehr Ehrfurcht vor dem Weihnachtsmann als Dicki, und lieh seine Stimme einem amerikanischen Journalisten, um eine Apologie auf die Existenz des Superwichtels zu halten. "Die wichtigen Dinge bleiben meistens unsichtbar." Jetzt tropfte doch noch ein wenig Schmalz aus der Stolle. Fast hatte es den Anschein, als sollte der Weihnachtsmann à la Hollywood der Trinität einverleibt werden.
Damit die Stolle nicht altbacken wird, hat der Herrgott Hans-Jürgen Müller-Hohensee geboren: "Es blaut die Nacht" - mit Loriots "Advent" war alle Pietät im Eimer. "Das ist ja wirklich ein Kontrastprogramm", registrierte Böhm konsterniert und trug ein Gebet von Antoine de Saint-Exupéry vor. Er endete mit "Amen", was Müller- Hohensee nicht davon abhielt, die rote Mütze überzustreifen, um die kleinen, großen Gefühle zu persiflieren. Die Menschenliebe triefte und der Spott wurde zum unterhaltsamen Nonsens.
Sabine Jeschke floh ins "Winterwonderland", um die Muldebuben kraftvoll zu beflügeln. Doch Engel gibt es nur, wo Botschaften sind. Am Ende kriegt Weihnachten alle - trotz alledem und Müller-Hohensee.