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Anhaltische Landesbücherei in Dessau-Roßlau Anhaltische Landesbücherei in Dessau-Roßlau: Direktorin Gabriele Schneider geht in Rente

Von sylke kaufhold 10.04.2015, 18:17
Auf spannende Lesestunden freut sich Gabriele Schneider ganz besonders.
Auf spannende Lesestunden freut sich Gabriele Schneider ganz besonders. l. sebastian Lizenz

dessau-rosslau - Zum Abschied haben ihr die Mitarbeiter zwei besondere Geschenke gemacht: Zum dritten Mal hat die Anhaltische Landesbücherei bewiesen, dass sie ein Betrieb mit vorbildlicher Servicequalität ist und darf nun bis 2017 das entsprechende Zertifikat tragen. Und: Mit rund 200 000 Besuchern im vorigen Jahr stellte die Bibliothek einen neuen Besucherrekord auf. Sie ist damit die besucherstärkste Einrichtung der Stadt. „Diese beiden Ereignisse machen mich stolz und glücklich, wenn ich ab dem 1. Mai zur Gruppe der Rentner gehöre“, sagt Gabriele Schneider, seit 1979 Direktorin der Anhaltischen Landesbücherei.

Stationen eines Berufslebens

Gabriele Schneider hat ihr ganzes Berufsleben in den Dienst der Dessau-Roßlauer Bibliothek gestellt. Nach dem Studium an der Fachhochschule Leipzig und der Humboldt-Universität kam sie 1971 als frisch gebackene Diplombibliothekarin nach Roßlau und übernahm die Leitung der dortigen Stadt- und Kreisbibliothek. „Mit der Städtefusion bin ich 2007 quasi auch zu meinen Wurzeln zurückgekehrt“, findet die 65-Jährige. Am 1. Mai 1979 war sie Direktorin der Anhaltischen Landesbücherei in Dessau geworden. Dies blieb sie - mit einer zweijährigen Unterbrechung in der Wendezeit - bis heute.

Am 1. Mai endet die Dienstzeit der Direktorin der Anhaltischen Landesbücherei. Planmäßig mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Indes eine Nachbesetzung der Stelle scheint noch fern. Auf Nachfragen erfuhren die Stadträte im Kulturausschuss am Dienstag, dass eine Ausschreibung derzeit vorbereitet werde. Zunächst intern dann extern. Über zeitliche Abfolgen konnte Kulturamtsleiter Steffen Kuras am Dienstag nichts sagen. Man habe sich noch nicht verständigt, in welchen Publikationen die externe Ausschreibung veröffentlicht werden soll.

Am Donnerstagnachmittag waren die offenen Fragen geklärt: Ausgeschrieben werden soll die Stelle am 8. Mai, der Bewerbungszeitraum ist bis zum 5. Juni festgelegt. Neben den üblichen Ausschreibungsportalen der Stadt, wird die offene Direktorenstelle auch in der Fachzeitschrift „BuB-Forum Bibliothek und Information“ in Print und Online veröffentlicht. Die interne Ausschreibung läuft parallel.

Befürchtungen, dass die Bibliotheksarbeit unter dieser personellen Vakanz leidet, wie sie u.a. Manfred Semper äußerte, sieht Kuras nicht. „Ich sehe keinen Knick“, sagte er im Ausschuss. Mit den Kollegen in der Bibliothek habe er verabredet, wie der Übergang bewerkstelligt werden soll. Er werde unterstützen.  

Mit welchem Gefühl räumt man nach so vielen Jahren den Schreibtisch aus?

Als „sehr zwiespältig“ beschreibt dies Gabriele Schneider. Auf der einen Seite falle ihr der Abschied leicht, da sie ein super Team hinterlasse, das „kompetent, engagiert und motiviert“ sei. „Und es ist gut, wenn die Leitung in jüngere Hände gelegt wird und damit frischer Wind reinkommt.“ Auf der anderen Seite, betont Schneider, bereite ihr die Situation der Kultur dieser Stadt Sorge. „Es gibt keinerlei Planungen, wie es mit der Kultur weitergehen soll, alle Einrichtungen haben eine unsichere Perspektive, Personal soll weiter abgebaut werden.“

Wie lange bleibt die Anhaltische Landesbücherei ohne Führung? Die Frage der Nachfolge ist bis heute nicht geklärt.

„Diese Unklarheit belastet mich sehr“, sagt Gabriele Schneider, „gerne hätte ich den Staffelstab persönlich übergeben.“

In 36 Jahren ist viel passiert in der Bibliothek. Was waren einschneidende Ereignisse?

Die anhaltische Landesbücherei in Dessau und Roßlau hat sich technisch zu einer modernen Bibliothek entwickelt. Und musste schmerzliche Einschnitte verkraften. So wurde das anfängliche ausgebaute Netz mit fünf Zweigbibliotheken und Ausleihstellen in allen Vororten gestutzt auf drei Einrichtungen - die Hauptbibliothek in Dessau, die Lipmann-Bibliothek in Roßlau und die wissenschaftliche Bibliothek. Damit verbunden war und ist ein beispielloser Personalabbau. Von den ehemals 60 Mitarbeitern sind 23 übrig geblieben. Weitere Stellen sind vakant.

Als bedeutsam und emotional bewegend hat Gabriele Schneider die Rettungsaktionen für die Bestände der wissenschaftlichen Bibliothek in Erinnerung. Von 1986 bis 91 wurde das Palais Dietrich saniert und zur Bibliothek umgebaut. Damit hatten die wertvollen historischen Bestände 46 Jahre nach dem Krieg erstmals optimale Bedingungen unter einem Dach. Schneider erinnert sich noch daran, wie sie 100 000 Bücher aus den Außenlagern in Drahtkörben nach Leipzig zum Bestrahlen transportiert haben, um den Schimmel abzutöten. „Die Beseitigung der Schimmelspuren hat dann Jahre gedauert.“ Und passierte in der neuen Restaurierungswerkstatt, die Anfang der 90-er Jahre im wiederaufgebauten Goethes Gartenhäuschen im Garten des Palais Dietrich entstanden war. Meilensteine waren für Schneider auch der Anbau an die Hauptbibliothek und der Umbau des Roßlauer Kaufhauses zur Lipmann-Bibliothek. „Das ist für Roßlau eine riesige Errungenschaft und freut mich als alte Roßlauerin auch persönlich sehr.“

Als bedeutsam für die Bibliothek sieht Schneider auch die Gründung des Fördervereins vor fünf Jahren. Mit seinem Engagement hat er vieles für die Bibliothek bewegt.

Würde die scheidende Bibliotheksleiterin noch einmal Bibliothekarin werden?

„Es ist ein spannender Beruf, der viel Spaß macht“, bejaht Gabriele Schneider diese Frage, zumal für sie erst ein Leben mit Büchern lebenswert ist. Als Bibliothekarin müsse man Augen und Ohr an der Zeit haben, ist ihre Erfahrung, denn man müsse die Zeit verstehen. „Das heißt, als Bibliothekarin bleibt man jung. Wenn das kein Grund für die Berufswahl ist“, lacht sie.

Was steht nach dem 1. Mai bei Gabriele Schneider auf dem Programm?

„Ich werde all das machen, wozu mir im Berufsleben die Zeit fehlte“, meint sie. Theaterbesuche, Ausstellungseröffnungen, die kulturellen Angebote der Stadt und Region genießen, das nimmt sie sich vor. „Und endlich wieder in aller Ruhe lesen.“ (mz)