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Albert Hennig Albert Hennig: Der feinsinnige Betonbauer

Von thomas altmann 20.11.2013, 21:47
Werke von Albert Hennig zeigt derzeit der Anhaltische Kunstverein in Dessau.
Werke von Albert Hennig zeigt derzeit der Anhaltische Kunstverein in Dessau. thomas ruttke Lizenz

dessau/MZ - Das Seeburgviertel Leipzig? In der Sandgasse erstach der Soldat a. D. und arbeitslose Perückenmacher Woyzeck die Witwe Woost. In der ehemaligen Königstraße wohnte Felix Mendelssohn Bartholdy. Ein durchwachsenes Viertel. Jahre später, 1928, kaufte, mühsam erspart, der Betonbauer Albert Hennig eine Zeiss Ikonta für 36 Mark und fotografierte in diesem Viertel „Kinder der Straße“.

„Albert Hennig - ein Künstler des Bauhauses“ heißt eine neue Ausstellung des Anhaltischen Kunstvereins in den Meisterhäusern Kandinsky und Klee, zu sehen bis zum 26. Januar. Albert Hennig steht für die Vielfalt der Schülerschaft des Bauhauses. Ohne akademische Vorbildung und Ambition kam er als arbeitsloser Betonarbeiter 1932 nach Dessau, belegte den Vorkurs bei Josef Albers, lernte bei Wassily Kandinsky, Joost Schmidt und Walter Peterhans, der die Abteilung Fotografie leitete.

Fotografie als Waffe

Beworben hatte sich Hennig mit Fotografien, welche die soziale Wirklichkeit fixierten. Die Modernität der Möglichkeiten, Fotografie als Waffe: Die KPD hatte es vorgemacht, gründete 1926 die Vereinigung der Arbeiter-Fotografen Deutschlands. In den Ortsverband Leipzig trat 1927 das SPD-Mitglied Hennig ein. Wolfgang Hesse zitiert in „Das Auge des Arbeiters“ den Arbeiter-Fotografen: „Da ich nicht zeichnen konnte, habe ich begonnen zu fotografieren.“ Vor allem habe Hennig das Umfeld, in dem er geboren sei, soziale Spannungen, die ihn umgaben, dokumentieren wollen. Nun erschienen Sensibilisierung und Problematisierung im Sucher der Kamera.

Die Serie „Kinder der Straße“ fotografierte Hennig im Auftrag der Kinderfreunde-Bewegung, eine laien- und reformpädagogische Bewegung der SPD, „der Versuch revolutionierend einzudringen in Geist und Gestalt des öffentlichen Erziehungswesens“, schrieb der Vorsitzende der Bewegung Kurt Löwenstein. Hennig lieferte die genannte Fotoserie für eine Vortragsreihe des Journalisten Richard Lehmann. Mit diesen Fotos bewarb sich Hennig dann auch auf Drängen seiner zukünftigen Frau Edit Kammer am Bauhaus.

Ein Foto dieser Serie ist in der Ausstellung zu sehen, aufgenommen im Seeburgviertel: Chillende, würde man heute sagen, Kinder am grauen Fuß der Fassaden. Aus dem Bestand der Stiftung Bauhaus Dessau stammen auch einige andere Fotografien, arrangiert und inszeniert, Materialstudien in Licht und Schatten, die nun den Einfluss der Schule bekunden. Nach Schließung des Bauhauses 1933 in Berlin wird Hennig arbeitslos. Er fotografiert nicht mehr, nie mehr. Die meisten seiner Fotoarbeiten gingen 1943 bei einem Bombenangriff verloren, einige schon 1933, bei der Zerstörung des Leipziger SPD-Büros durch die SA.

„Hennig, zeichnen Sie, zeichnen Sie, wo immer Sie sind“, hatte ihm Josef Albers geraten. Und Hennig zeichnete mit Stift, Feder, Kreide oder Tusche, Gouachen, Pastelle, Aquarelle in immer malerischeren Sequenzen und immer äußerst bescheidenen Formaten. Gezeigt werden nun Werke aus der Sammlung von Hans-Joachim Schmidts: Porträts, Landschaften, Architekturen, ein maßvoller Übergang vom Gegenstand zur freien Form, zur Farbe. Die Porträtköpfchen sind schweigende Erzähler, markant konturiert über fließender Farbe, in Farbe eingelegte Charaktere. Sie sind gezeichnet vom Leben, mitreißend unbeteiligt.

Leichtigkeit des Seins

Namenlos, unbezeichnet, undatiert sind alle Blätter der Ausstellung. Da finden sich die sommerliche Leichtigkeit des Seins, Winterlandschaften, die über das Blatt wehen, tiefe Sonnenuntergänge und immer wieder versinken Formen in wässriger Unschärfe, gehen in Farben unter oder werden mittels nachgetragener Konturen scharf und fiebrig erinnert. Zuweilen verdichten sich diese Striche, nervös, breit bedrohlich, als widerlegten und zerstörten sie ihre eigenen Behauptungen. Zuweilen ist es Nacht, ein tiefes gründliches Leuchten. „Zeichnen Sie, zeichnen Sie!“ Hennig später: „Wortwörtlich habe ich das genommen.“

Besichtigt werden kann die Schau in den Meisterhäusern Kandinsky und Klee noch bis zum 26. Januar.
Besichtigt werden kann die Schau in den Meisterhäusern Kandinsky und Klee noch bis zum 26. Januar.
Thomas Ruttke Lizenz
Besichtigt werden kann die Schau in den Meisterhäusern Kandinsky und Klee noch bis zum 26. Januar.
Besichtigt werden kann die Schau in den Meisterhäusern Kandinsky und Klee noch bis zum 26. Januar.
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