Afghanische Mädchen Afghanische Mädchen: Unbürokratische Hilfe für Opfer des Krieges
Zerbst/MZ. - Scheu versteckt sich ein etwa vierjähriges Mädchen hinter der Tür und späht vorsichtig zu den Besuchern hin. Ihr rechter Unterarm trägt einen grünen Verband, und in der linken Hand hält sie eine Tafel Schokolade. Ihr entgegen humpelt ein sechsjähriges Mädchen an Krücken. Palwasha und Ghul Alei, so heißen die zwei, werden seit vierzehn Tagen über eine Initiative des Friedensdorf International im Zerbster Kreiskrankenhaus medizinisch versorgt.
"In Afghanistan ist eine adäquate Behandlung von schwerwiegenden Krankheiten noch nicht möglich", begründet Oberarzt Dr. Hartmut Bludau die Aufnahme der Mädchen. Palwasha leidet an einer Knochenentzündung im Unterarm, und Ghul Alei hat nach einer Granatsplitterverletzung eine eiternde Knochenentzündung am rechten Oberschenkel. Beide kommen aus der Provinz Logar in der Nähe der afghanischen Hauptstadt Kabul.
"Ghul Alei hat gesagt, dass sie gerade in der Küche Wasser gekocht hat, als die Bombe sie verletzte", erzählt Kanischka Ariobi. Er und seine Eltern, die 1991 aus Afghanistan flohen, fungieren als sprachliche Vermittler zwischen Krankenhauspersonal und den kleinen Patienten. "Ein bisschen Mutterersatz sind wir wohl auch", lächelt Kanischka Ariobi und sagt, dass sich die Mädchen, anfangs noch ängstlich und unsicher, jetzt sehr gut eingelebt hätten. Mittlerweile sprächen sie sogar schon ein wenig deutsch. Guten Morgen, Guten Abend, Essen prima - so erste Sprachbrocken. Nach der Behandlung im Zerbster Krankenhaus, die voraussichtlich noch einige Wochen dauern wird, kehren die Mädchen nach Afghanistan zu ihren Eltern und Geschwistern zurück.
"Friedensdorf International hat uns jetzt schon zum dritten Mal kontaktiert und das Krankenhaus gefragt, ob es erneut bereit wäre, Kinder aus Afghanistan aufzunehmen", sagt Krankenhausdirektorin Gisela Richter. Bemerkenswert und sicherlich mit der neuen Administration in Afghanistan zu erklären, sei die Tatsache, dass zum ersten Mal nicht Jungen, sondern Mädchen eine medizinische Behandlung ermöglicht bekämen.
Das Procedere, welches die Mädchen durchlaufen, ehe sie nach Deutschland kommen und gesund wieder zurück nach Afghanistan, ist anstrengend. Auf einen Kabuler Flughafen werden hunderte kranke Kinder gebracht und dort von Ärzten nach Schwere der Krankheit und ihren Heilungschancen sondiert. Etwa 100 kleine Patienten kommen dann mit einem Sonderflugzeug nach Düsseldorf. Von hier geht es weiter in die Krankenhäuser Deutschlands, die sich bereit erklärten, die Kinder aufzunehmen und kostenfrei zu versorgen.
"Die Solidarität ist ziemlich breit gefächert", freut sich die Krankenhausdirektorin. Viele Partner, mit denen die Klinik kooperiere, hätten Interesse gezeigt, kostenlose Dienste zur Verfügung zu stellen. Auch private Geld- und Sachspenden seien schon eingegangen.
Im Vergleich zu den katastrophalen medizinischen Verhältnissen und den tausenden Kindern, die im Krieg schwer verletzt wurden, ist die Hilfe, die im Zerbster Krankenhaus geboten wird, jedoch, "nur ein Tropfen auf dem heißen Stein", wie Oberarzt Bludau betont. Auch Kanischka Ariobi, mit den Bedingungen in Afghanistans gut vertraut, plädiert für ärztliche Versorgung direkt im Land, um möglichst vielen Verletzten helfen zu können.