Weiterbildung für Lehrer und Erzieher ADHS: Weiterbildung für Lehrer und Erzieher in Dessau-Roßlau

Dessau - So schnell füllen sich die Anmeldelisten für Fortbildungsveranstaltungen nur selten, weiß Sven Trautwig von der Netzwerkstelle „Schulerfolg für Dessau-Roßlau“. Etwa 100 Fachkräfte aus Schulen, Kindertagesstätten, Horten, Frühfördereinrichtungen, dem Jugendamt wollten am Mittwoch in der Hochschule Anhalt etwas erfahren über das Thema „ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) und die Besonderheiten beim Lernen“.
„Mit dem Thema haben wir auf Bedarf reagiert, der uns von Schulsozialarbeitern signalisiert worden ist“, erklärt Trautwig. Denn oftmals stelle sich in den Schulen das Problem, wie es gelingen kann, ADHS-Kinder für den Unterricht zu interessieren und sie dazu zu bringen, der Stunde (oder der Beschäftigung in der Kita) zu folgen, ohne zu stören.
„Vielen Lehrern und Erziehern fehlt das Wissen, wie man mit ADHS umgeht“
Dass ein ADHS-Kind den Lehrer oder die Erzieherin voll und ganz in Beschlag nimmt, diese Erfahrung haben alle gemacht. Und alle wissen, dass in solch einer Situation die anderen Kinder auf der Strecke bleiben. Die Referentin Ramona Wiedemann ist Betroffene und Fachfrau zugleich: Als Mutter, deren Sohn ADHS hat, und als Lehrerin, die in einer Spezial-Einrichtung für ADHS-Kinder gearbeitet hat. Sie versteht das Problem, vor dem die Lehrer und Erzieher stehen.
„Vielen fehlt das Wissen, wie man praxistauglich mit den ADHS-lern umgeht, auch die Rahmenbedingungen in Kitas und Schule erschweren den Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern.“ Mit 28 Kindern in der Klasse, einem Lehrer und einer pädagogischen Hilfskraft sei das nicht machbar.
Eltern und Lehrer sind bei der Behandlung gleichermaßen gefordert
ADHS ist eine Krankheit, eine neurobiologische Funktionsstörung. Es ist keine Frage der Erziehung. „ADHS zu haben ist keine Schande“, sagt Ramona Wiedemann in Richtung der Eltern. Es ist eine Verhaltensauffälligkeit, der am besten durch ein Verhaltenstraining begegnet wird. Idealerweise durch Lehrer und Eltern gleichermaßen.
Vorausgesetzt, alle wissen, wie das funktioniert. Eine individuelle Ansprache, eine strukturierte Führung und eine positive Kind-Pädagogen-Beziehung seien die goldenen Regeln, mit denen man gut zurecht kommt. Rückschläge seien aber dennoch immer möglich. Denn die Stimmung könne bei den Betroffenen von jetzt auf gleich kippen, wobei der Auslöser für andere oft nicht nachzuvollziehen sei. Auch das Kind selbst könne erst viel später sagen, was der Auslöser war. „Das Kurzzeitgedächtnis ist bei ADS-lern gestört“, erklärt Wiedemann.
Nicht jedes aufgeweckte und lebhafte Kind hat ADHS
Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gelten als Kernsymptome für die ADHS. Wobei diese auch ohne Hyperaktivität auftreten könne, macht die Referentin aufmerksam. „Das sind dann die Tagträumer und man spricht von ADS.“ Aber nicht jedes aufgeweckte und lebhafte Kind, das nicht immer zuhört, hat ADHS, warnt Wiedemann. Eine gründliche und fachmännische Diagnostik sei deshalb sehr wichtig. Aber nicht immer erfolge sie. „Zum Teil wird zu leichtfertig diagnostiziert, in beide Richtungen.“
Viele Unsicherheiten gebe es auch beim Thema Medikation. „Die Pille allein bringt gar nichts, wenn nicht parallel eine Verhaltenstherapie gemacht wird“, ist die Referentin überzeugt. Auf der anderen Seite könne das Ritalin aber eine notwendige Ergänzung sein. „Das Medikament reguliert die Reizübertragung und stimuliert den Stoffwechsel im Gehirn. Es schafft bei richtiger Dosierung die verloren gegangene Balance zwischen Erregung und Hemmung.“
Die Diagnostik von ADHS erfolgt immer durch einen Kinderarzt
Für Eltern ist es nicht immer einfach, schnell die richtige Diagnostik und Hilfe zu bekommen. Ein erster beratender Ansprechpartner können die Beratungsstellen des Paritätischen und des Diakonischen Werkes sein, empfiehlt Anja Heyer, Mitarbeiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes im Jugendamt.
Die Diagnostik, die sehr umfangreich und aufwändig sei, erfolgt immer durch einen Kinderarzt, der die Kinder für die Therapie an Kinder-Psychotherapeuten überweist, betont sie. In Dessau sind das Tanja Zilius, Tilo Kranepohl, Karl Petersen, Eva-Maria Rehm und Britta Orlowsky.
Anja Heyer gehörte zu den Teilnehmern der Fortbildung. „Es war eine tolle Veranstaltung, sehr aufschlussreich und praxisnah mit vielen AHA-Effekten“, lautet ihr begeistertes Fazit. Sie habe viel Neues erfahren über die Krankheit an sich. Dabei sei ihr aber auch bewusst geworden, dass es unbedingt einer Fortsetzung bedarf. „Das ist so ein sensibles Thema, aber uns allen fehlt das Handwerkszeug, wie damit richtig umzugehen ist.“ Jeder arbeite irgendwie nach einer eigenen Strategie. Aber ohne fachliche Anleitung. (mz)