Abgerissene Gärten Abgerissene Gärten in Dessau: Stadtrat Ralf Schönemann lagert jahrelang Schutt am Elberadweg - viele Fragen offen

Dessau - Ralf Schönemann streift über das Gelände der ehemaligen Gartenanlage „Braunsche Lache“. Die Mai-Sonne brennt. Vögel zwitschern. Naturidylle pur. Auch vor den 20 bis 25 Schuttkegeln, die hier lagern, hat die Natur nicht halt gemacht. Sie wuchern zu. Schönemann hebt immer wieder Dachpappe-Fitzel auf, die nicht hierher gehören. Die Botschaft: „Ich kümmere mich.“ Weiter vorn fräst sich sein Bagger in einen der Haufen. Die Botschaft ist die selbe.
Wiederkehrend sorgen die Berge für Empörung. Weil zum einen der Elberadweg an dem Gelände vorbei verläuft. Und weil zum anderen mit der Firma Abc-Recycling Stadtrat Ralf Schönemann (Linke) als deren Geschäftsführer für den Zustand mitverantwortlich ist. 3.000 Tonnen „Recyclat“ lagern noch hier.
In den vergangenen Wochen ist vor allem die Freie Fraktion nicht müde geworden, das Thema in Ausschüssen und Stadtratssitzungen anzuprangern. Unterstützt auch von anderen Fraktionen. Die von Andreas Hernig (Freie Fraktion) Anfang April eingereichten Beschlussvorlage zur Beräumung des Areals trug der Stadtrat mit. Hernig erhebt schwere Vorwürfe: „Herr Schönemann darf jahrelang große Mengen an Bauschutt kostenfrei auf städtischem Grund lagern. Das ist der Vorteil, wenn man Vorsitzender des Bauausschusses ist“, schreibt er in der Mai-Ausgabe des Amtsblattes.
Stadtverwaltung: „Wenn wir jetzt Geld verlangen, legalisieren wir einen illegalen Zustand“
Es stimmt, dass das Gelände der Stadt gehört, dass die Stadt keine Gebühren von der Firma erhält und dass zwischen Stadt und Abc-Recycling nie Vertragsvereinbarungen über die Lagerung getroffen wurden. „Die Stadt hat die Fläche erst im November 2017 vom Land übernommen“, erklärte Christiane Schlonski, Dezernentin für Stadtentwicklung und Umwelt, auf MZ-Nachfrage. Da lagerte das Material bereits drei Jahre an Ort und Stelle. „Wenn wir jetzt Geld verlangen, legalisieren wir einen illegalen Zustand“, hatte Schlonski Anfang Mai im Wirtschaftsausschuss gesagt. Mit der Vereinbarung, dass die Firma das Material dort lagern darf, habe die Stadt nichts zu tun gehabt. Überhaupt wisse keiner mehr genau, was gelaufen ist.
Dass die Stadt 2014 nicht in die mündlich getroffene Vereinbarung involviert war und keiner mehr weiß, wer damals was vereinbart hat, stimmt so allerdings nicht. Am Anfang stand das Hochwasser 2013. Wegen der Schäden sollten die Kleingartenanlagen Braunsche Lache, Eschenweg und Waldfrieden aufgegeben, die Lauben zurückgebaut und die Grundstücke dem Land als Eigentümer zurückgegeben werden. Für den Rückbau verantwortlich war als Pächter der Stadtverband der Gartenfreunde (SVG).
Firma Abc-Recycling wurde mit Abbrucharbeiten nach dem Hochwasser 2013 beauftragt
Mit Hilfe von Fördergeldern aus dem Hochwasserfonds des Landes beauftragten die SVG 2014 nach Ausschreibung die Firma Abc-Recycling mit Abbrucharbeiten und der anschließenden Entsorgung des anfallenden Materials. Rund 300.000 Euro sind dem Gartenverband nach Angaben des Landesverwaltungsamtes dafür zunächst bewilligt worden. Die reichten jedoch nicht. Wie die SVG der Stadtverwaltung im Mai dieses Jahres mitteilten, wurde dem Fördermittelantrag ein Finanzbedarf von 3.500 Euro pro Parzelle zugrunde gelegt. „Mit heutigem Wissen würde ich 8.000 Euro pro Parzelle kalkulieren“, erklärt der heutige SVG-Vorsitzende Joachim Ullrich auf Nachfrage.
Dieser Schätzung würde sich auch Gabriele Kegler anschließen. Sie leitete 2014 das Umweltamt. Kegler war es auch, die den damaligen, letztlich zu optimistischen Kostenschätzungen das Genick brach. Nachdem Abc-Recycling alles abgebrochen und gefährliche Abfälle wie Asbest, Teerpappe oder Dämmstoffe entsorgt hatte, forderte das Umweltamt auch noch sämtliches Fundamentmaterial aus der Erde zu holen. „Es waren dort halbe Keller unter den Lauben angelegt worden, Brunnenschächte waren massiv betoniert“, so Kegler.
Für Ralf Schönemann steht fest: „Ich bin in der Braunschen Lache einer, der hilft“
Die Fördergelder waren da bereits aufgebraucht. Nachforderungen in Höhe von insgesamt 48.500 Euro hatte das Land für die Fundamententsorgung zwar bewilligt, doch auch die reichten laut Gartenfreunde-Chef Ullrich nicht. Das Landesverwaltungsamt schreibt auf Anfrage, dass weitere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, weiterer Erhöhungsbedarf jedoch nicht angemeldet worden sei. „Wir wollten nicht noch mal nachfordern. Es war uns peinlich“, erklärt Ullrich den Verzicht.
Ralf Schönemann bot an, die Fundamente kostenlos aus der Erde zu holen, wenn er das Material in den Anlagen brechen, separieren und ein halbes Jahr - bis Ende 2014 - dort lagern darf. In dieser Zeit wollte es Schönemann verwerten, um seine Kosten zu kompensieren. „Dem habe ich damals zugestimmt und dazu stehe ich“, erklärt Gabriele Kegler und ergänzt: „Schönemann hat Zugeständnisse gemacht, wir haben Zugeständnisse gemacht, sonst wäre es so geblieben.“ Auch das Land habe bei einer Begehung keine Bedenken gehabt.
Für Schönemann steht damit fest: „Ich bin in der Braunschen Lache einer, der hilft.“ Was jedoch auch feststeht: Trotz Beräumungsverfügung mit Fristsetzung bis Ende 2017 liegt das Material noch immer an Ort und Stelle. Weil es länger gedauert habe, das Recyclat zu verwerten, die wirtschaftlichen Bedingungen schlecht seien, er zuletzt keinen Kraftfahrer gehabt und sich noch dazu geschützte Eidechsen in den Haufen angesiedelt haben. Zur Wahrheit gehört auch, dass Abc-Recycling in den letzten Jahren nicht untätig war. 6.000 von 9.000 Tonnen sind laut Stadt bereits beseitigt. Die Kleingartenanlagen Eschenweg und Waldfrieden sind bereits beräumt.
Bis Ende des Jahres gibt die Stadt der Firma Zeit für die Beräumung
Dennoch fordert Andreas Hernig von der Verwaltung, den aktuellen Beräumungsbeschluss schnellstmöglich umzusetzen, fordert eine Ersatzvornahme der Stadt. „Ich kann Ihnen mehrere Firmen nennen, die das innerhalb von vier Wochen räumen“, sagte Hernig Ende Mai im Stadtrat. 80.000 Euro könnte das laut seiner Schätzung kosten.
Die Stadt hat es weniger eilig. „Es ist nicht angemessen, den Schutt für viel Geld sofort zu beseitigen. Es geht keine Gefahr davon aus“, erklärte Christiane Schlonski gegenüber der MZ. Allerdings dürfte auch eine Rolle spielen, dass nicht klar ist, ob die Verwaltung, würde sie selbst für die Entsorgung sorgen, dies Abc-Recycling in Rechnung würde stellen können. Die Rechtslage ist unklar.
So bestreitet Schönemann etwa, Eigentümer des Materials zu sein. Er habe lediglich die Option, selbiges zu vermarkten. Die Verwaltung teilt offenbar diese Lesart. Als Ende Mai im Stadtrat angefragt wird, wem das Material gehöre, antwortet Schlonski: „Von Eigentümer würde ich bei Abc-Recycling nicht sprechen.“
Bis Ende des Jahres gibt die Stadt der Firma Zeit für die Beräumung. Für Andreas Hernig nicht nachvollziehbar: Der Schutt enthalte Asbest, Dachpappe, Kabelreste, Gasbeton berichtet er im Stadtrat. Nicht recycelbar sei das und gefährlich. Das Umweltamt weiß davon. „Das ist in diesem Mischmasch nicht ganz zu vermeiden“, so die ehemalige Amtsleiterin Gabriele Kegler. Der Anteil solcher Stoffe liege aber bei unter fünf Prozent. Laut Ralf Schönemann ist das Material für den Wegebau geeignet. Ob es ihm bis Ende des Jahres gelingt, die Braunsche Lache vollständig zu beräumen? „Wir arbeiten dran“, so Schönemann. Eidechsen seien Ende Mai durch die ökologische Begleitung schon einmal nicht festgestellt worden. (mz)
