60-jähriges Meisterjubiläum 60-jähriges Meisterjubiläum: Willi Arendt aus Dessau war Konditor mit "Leib und Seele"

Dessau - „Ich hatte nichts und musste deshalb etwas machen.“ Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und dessen Folgen lagen hinter dem damals 18-jährigen Willi Arendt, als er 1948 aus seiner Heimat Ostpreußen nach Großkühnau kam - ausgehungert und in einem Viehwaggon.
In den 1950er Jahren wurde er Bäcker- und Konditormeister
Und er hat etwas gemacht: In einer Dessauer Bäckerei begann er als ungelernter Mitarbeiter. In den 50er Jahren wurde er Bäcker- und Konditormeister. Nun hat ihn dafür die Handwerkskammer Halle bei einer Altmeisterfeier mit dem Goldenen und Diamantenen Meisterbrief ausgezeichnet - anlässlich seines 60-jährigen Meisterjubiläums.
30 Jahre Produktionsleiter in Dessauer VEB Konditorei
Stolz hat Arendt, der in gut zwei Wochen seinen 87. Geburtstag feiert, die beiden Urkunden an eine Wand in seiner kleinen aber feinen Wohnung aufgehängt, die er zusammen mit seiner Ehefrau bewohnt.
Auf seinem Sofa sitzend, lässt Willi Arendt seine berufliche Vergangenheit Revue passieren und kommt zu einem positiven Urteil: „Ich habe alles gut über die Runden gebracht“, findet der Dessauer. Ihm sei es gut gegangen in der DDR, auch wenn er, wie er betont „nicht in der Partei gewesen ist“.
Über 30 Jahre arbeitete Arendt als Produktionsleiter in der Dessauer VEB Konditorei, einer reinen Produktionsstätte am August-Bebel-Platz. Zudem machte er sich als Prüfer und Ausbilder einen Namen. Arendt selbst legte seine Prüfung zum Bäckermeister 1956 ab. Zwei Jahre später folgte die Ernennung zum Konditormeister. Dabei wollte Arendt ursprünglich gar kein Bäcker und Konditor werden. Sein Wunsch war es, Forstwirtschaft zu studieren, doch der Zweite Weltkrieg änderte alles.
Geboren wurde Willi Arendt 30 Kilometer von Königsberg entfernt
Geboren wurde Arendt 1930 in Pobethen, dem heutigen Romanowo, etwa 30 Kilometer von Königsberg entfernt. In Neukuhren (heute Pionerski) besuchte er die Schule, die er mit Kriegsende abschloss. Doch bis 1948 mussten er, seine Eltern und sein jüngerer Bruder auf ihre Ausreise warten.
Doch nicht alle konnten diese antreten: Arendts Vater verstarb 1947. „Wir waren keine Menschen mehr und hatten nichts“, beschreibt Arendt, der bei seiner Ankunft in Dessau gerade mal noch 78 Pfund wog.
Willi Arendt hatte zwölf Geschwister
Dort fand der damals junge Erwachsene eine neue Heimat. Und seine Berufung. Zunächst arbeitete er in einer Bäckerei, in der auch sein zehn Jahre älterer Bruder tätig war. Insgesamt hatte Arendt zwölf Geschwister. Zwei fielen im Krieg, der Rest verstreute sich nach 1945 in alle Teile Deutschlands.
Bis zum Bau der Mauer besuchte Willi Arendt oft seine Brüder und Schwestern, die ihn ein ums andere Mal überreden wollten, in den Westen zu ziehen. Doch dies kam für den heute 86-Jährigen nicht in Frage: „Ich hatte ja noch meine Mutter in Dessau und wollte deshalb nicht in den Westen. Meine Mutter und ich waren wie ein Herz und eine Seele.“
Arendt bleibt der DDR und Dessau treu
Und so blieb Arendt der DDR und Dessau treu. Neben seiner Tätigkeit als Produktionsleiter kümmerte er sich viele Jahre leidenschaftlich um die Ausbildung des Bäcker- und Konditornachwuchses. Eine Aufgabe, die ihm sehr am Herzen lag und viel Freude bereitete. „Und alle Lehrlinge sind durch die Prüfung gekommen“, so der Senior, der pro Jahr bis zu 20 Auszubildende im Betrieb betreute. Drei Jahre lang arbeitete Willi Arendt zudem noch als Berufsschullehrer in Dessau.
Eine dauerhafte und hauptberufliche Anstellung lehnte er jedoch ab. Zu sehr hing er an der Konditorei und der 45-Mann starken Belegschaft. „Ich konnte sie nicht im Stich lassen. Dazu hatte ich im gleichen Gebäude eine tolle Wohnung, die ich nicht aufgeben wollte“, erklärt Arendt.
Willi Arendt: „Ich war Konditor mit Leib und Seele“
Bis zu seiner Pensionierung 1992 widmete er sich mit ganzer Kraft der Arbeit. Um 2 Uhr war die Nacht für Willi Arendt meist beendet, das Wort Feierabend habe er kaum gekannt. Auch ein Herzinfarkt im Alter von 50 Jahren ließ ihn nicht kürzertreten. „Ich war Konditor mit Leib und Seele“, sagt er rückblickend. Und so musste seine zweite Leidenschaft, der Sport, zurückstecken. Laufen sei seine Welt gewesen. Die 400 Meter schaffte er in 53 Sekunden.
Arendt steht nachts auf, um Boxkämpfe zu sehen
Auch Fußball und Tischtennis spielte er, ehe ihn der Beruf an einer weiteren Ausführung hinderte. „Ich war mit der Arbeit genug ausgelastet“, erklärt Arendt, der heute am Fernseher Sportwettkämpfe aller Art, aber besonders die der Leichtathletik und des Boxens verfolgt.
„Ich stehe sogar in der Nacht auf, um mir Boxkämpfe anzuschauen“, meint Arendt. Als langjähriger Konditor und Bäcker ist das für ihn schließlich nichts ungewohntes. (mz)