100 Jahre Rathaus Dessau 100 Jahre Rathaus Dessau: Ein Zeugnis bewegter Geschichte
Dessau/MZ. - Rathäuser stehen als Ausdruck eines sich selbst bewussten Bürgertums, als die architektonischen Signale eines städtischen Gemeinwesens für die Auf- und Abschwünge einer sich bis heute auswirkenden Vergangenheit. Als multifunktionale Orte bilden die Rathäuser gewissermaßen den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens der Stadt.
Oft drücken sich schon in ihrem Aussehen und in ihrer Ausstattung der Reichtum und die Macht einer Kommune und der Wohlstand ihrer Bürger aus. Das alte Dessauer Rathaus, das ab etwa 1557 entstanden war und dessen Portal von 1563 noch erhalten ist, genügte diesen Ansprüchen jedoch bald nicht mehr. Trotz aller im Laufe der Zeit erfolgten An- und Umbauten und trotz der 1882/83 mit dem damals enormen Kostenaufwand von etwa 120 000 Mark vorgenommenen Aufstockung und Erweiterung reichte der Platz wenig später nicht mehr aus. Neue Verwaltungsaufgaben, vor allem aber das rasante Wachstum der Stadt Dessau in jenen Jahren des industriellen Aufschwungs ließen das Rathaus schnell wieder aus allen Nähten platzen.
Schon 1893, also nur zehn Jahre nach der Erweiterung von 1882/ 83, erachtete der Magistrat einen großzügigen Rathausneubau an alter Stelle als unausweichliche Notwendigkeit. Nachbargrundstücke wurden gekauft und 1896 ein allgemeiner Wettbewerb für ein neues Rathaus ausgeschrieben. Aus ihm gingen die Charlottenburger Architekten Reinhardt & Süßenguth unter 51 Wettbewerbsbeiträgen als Sieger hervor.
Ab Ende November 1898 wurden das alte Rathaus und die für die Neubebauung vorgesehenen Nachbargrundstücke abgerissen, die Baumaterialien und noch vorhandene Inventarstücke von den Abbruchfirmen verkauft. Am 29. April 1899, dem Geburtstag des damaligen Herzogs Friedrich I., erfolgte mit einem feierlichen Festakt die Grundsteinlegung für den Neubau. An der Errichtung des Gebäudes beteiligten sich zahlreiche Dessauer Firmen.
Nach dreijähriger Bauzeit wurde das imposante neue Rathaus im Stil der Neo-Renaissance am 5. Oktober 1901 eingeweiht. Mit den vom Münchener Künstler Bernhard Pankok 1901 bis 1903 gestalteten Eheschließungsräumen besaß das Rathaus einen der schönsten Jugendstil-Innenräume Deutschlands. Die Hauptfassade mit dem mächtigen Giebel war nach dem Kleinen Markt gerichtet. Hier befanden sich auch die Repräsentationsräume des Hauses.
Der hoch aufragende Rathausturm wurde zu einem neuen Wahrzeichen der Stadt. Im Rathaus befanden sich neben den Büroräumen der Verwaltung auch die Sparkasse, die Polizei mit Arresträumen, die Feuerwehr mit dem Feuerwehrdepot im Innenhof sowie andere Dienststellen.
Am 3. April 1910 zerstörte ein durch einen Schornsteinbrand verursachtes Feuer die oberen Etagen des Rathauses. Die Feuerwehr konnte eine völlige Zerstörung des Gebäudes verhindern. Die im Dachgeschoss untergebrachte Altregistratur der Stadtverwaltung - sie enthielt die bis in das 16. Jahrhundert zurückreichende städtische Überlieferung - verbrannte vollständig. Noch am 3. April 1910 ergriff der Magistrat Maßnahmen zum Wiederaufbau des Rathauses, der mit Unterstützung der Architekten Reinhardt & Süßenguth sehr schnell erfolgen konnte. In den Jahren 1934/35 erhielt das schon wieder zu eng gewordene Rathaus in der Schloßstraße eine Erweiterung.
Am 7. März 1945 brannte das Rathaus in den Etagen völlig aus. Der nur leicht beschädigte Rathausturm ragte über die Ruinen.
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