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100. Geburtstag Richard Paulick 100. Geburtstag Richard Paulick: Ans Ende der Welt und zurück

Von Silvia Bürkmann 07.11.2003, 20:09

Roßlau/MZ. - Der 100. Geburtstag des namhaften Architekten ist für die Stadt Roßlau und die Stiftung Bauhaus Dessau nicht nur Anlass für Fach-Ausstellung und Kolloquium. Und so wird nach Buchlesung und fesselnder Gesprächsrunde vor früheren Paulick-Mitstreitern am Donnerstagabend im Dessauer Kornhaus der Freitagmorgen genutzt zum Spaziergang. Zum Spaziergang durch Roßlau, zum Spaziergang zu dem Menschen Paulick.

Paulick-Angehörige und Nachfahren schlendern neben Roßlauer Bürgern, Stadträten und ausländischen Gästen durch den diesigen Novembermorgen. Die Visite vor dem Geburtshaus in der Südstraße ist Pflicht. Genauso der Blumenstrauß in den blau-weißen Stadtfarben, den "Stadtführer" und Baudezernent Wolfgang Schmieder am Gedenk-Stein im zentrumsnahen Neubaugebiet niederlegt, das seit 1988 den Namen Paulicks trägt. Dass der verehrte Meister aber geboren wurde in der Gästewohnung eines Doppelhaus-Anbaus nimmt der illustre Kreis der Spaziergänger staunend zur Kenntnis. Wie auch die Ausstellung im Treppenflur des Rathauses immer mehr Betrachter fasziniert. Zeitgeschichtliche Dokumente, Briefwechsel, Pressespiegel, Fotos, Reproduktionen - die Stadt und Paulick-Zeitgenosse Jens Ebert haben viel Material sortiert, gewichtet und zu einer Chronologie zusammengefügt, die verblüffende Einsichten gewährt.

So zur Schaffensphase Paulicks in China, natürlich. Dass er im Stab für den Generalbebauungsplan von Shanghai mitwirkte, ist versierten Wissenschaftlern gewiss nicht neu. Aber wussten sie auch, dass Paulick für die legendäre kommunistische Kundschafterin Ruth Werner als "Walter" einen Platz in "Sonjas Rapport" erlangte? "Walter war ein erfolgreicher, ehrlicher Geschäftsmann. Er war ein kluger, sachlicher Mensch, der die Schwächen der bürgerlichen Gesellschaft... ironisch glossierte, während er ihre materiellen Möglichkeiten in Anspruch nahm", schreibt Sonja und: "Walter hatte Sympathie für China."

Richard, Bauhaus-Freund und Architekten-Mentor, lehrte während seines chinesischen Exils (1933 - 1950) in der Universität Shanghai. Erreicht die Professur und unterrichtet eine neue Architekten-Generation im alten "Reich der Mitte". Li De Huang gehört dazu. Der heute hochbetagte Herr und der Roßlauer Bürgermeister Klemens Koschig nahmen im Vorfeld der Paulick-Ehrung via Internet Kontakt auf. Paulick-Schüler Li wiederum hat auch einen Schüler: Professor Li Jingsheng von der Tonji-Universität Shanghai, zur Zeit Gastprofessor an der Bauhaus-Universität Weimar. Dieser wiederum überbrachte am Freitag ein Geschenk seines Lehrers an die Paulick-Geburtsstadt: Ein Kompendium zur Architektur. Das dicke Buch hatte Paulick seinem Schüler Li De Huang beim Abschied geschenkt. Und Li das Werk durch alle Wirren der Kulturrevolution gerettet und bewahrt wie einen Schatz. Am 100. Geburtstag des Lehrers kommt die Schrift über zwei Generationen zurück an ihren Ursprung.

Ausstellung "Richard Paulick- Leben und Werk", bis 14. November, Rathaus Roßlau