Zum neuen Jahr Zum neuen Jahr: Menschenwürde am Scheideweg?
Wittenberg/MZ. - "Innerhalb unserer Gesellschaft stehen wir im Umgang mit Menschen, die anders sind, an einem Scheideweg", findet Josef Römelt. Zum Neujahrsempfang ist Römelt, Professor für Moraltheologie in Erfurt, am Sonntag nach Wittenberg ins Augustinuswerk gekommen. An einen Ort also, an dem der von ihm benannte Umgang gleichsam Alltag und Daseinsberechtigung darstellt. Und insofern war, was Römelt über Bioethik und pränatale (vorgeburtliche) Diagnostik zu sagen hatte, von besonderem Gewicht.
So distanziert man sich zwar gerade in Deutschland von einer Eugenik, wie sie im Dritten Reich im Sinne einer mörderischen Selektion praktiziert wurde. Noch immer aber könne ein Kind im Mutterleib "getötet" werden, wenn eine genetische Erkrankung nachgewiesen wird, kritisiert Römelt und nennt dies "tragisch und furchtbar".
Zudem muss der Theologe, der selbst an den Rollstuhl gefesselt ist, feststellen, dass "unsere Gesellschaft unsicher ist". Denn immer noch ist da auf der einen Seite das grundsätzliche "Ja" zu jedem Menschen, "egal wie klein oder wie behindert er ist". Auf der anderen Seite wachse aber auch der Druck, nunmehr die gefundenen technischen Mittel einzusetzen, um menschliches Leid zu verhindern. Und schließlich sei da die Frage, ob diese Gesellschaft nicht nur die Kraft, sondern auch das erforderliche Geld hat, sich um diejenigen zu kümmern, die eben anders sind.
Wohin eine gelungene Fürsorge auf diesem Gebiet führen kann, beweist der Gastgeber seit nunmehr zehn Jahren. Seit 1991 finden Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen im Augustinuswerk eine Bleibe, eine Aufgabe und Förderung. Einige ihrer fröhlichsten Bewohner entführen am Sonntag in die Welt von Wilhelm Busch. Sie ermorden Witwe Boltes Federvieh und sorgen für nasse Füße beim Schneider Böck.
Nicht zuletzt bringen sie das honorige Publikum ordentlich zum Lachen. Und ein frohes Gemüt wird man im Augustinuswerk auch im elften Jahr des Bestehens brauchen. Immerhin steht der Umbau eines Gebäudes in der Melanchthonstraße an.
Über die Kosten wird am Sonntag nicht gesprochen. Eins jedoch steht fest: "Es wurden uns für diese Maßnahme kaum Fördermittel zugesagt", wie der Vorsitzende des Augustinuswerks Reinhold Weber betont. Nun hoffe man auf Spenden.