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Wolfen Wolfen: Des «Kaisers» alte Kleider

Von DETMAR OPPENKOWSKI 22.03.2011, 17:37
Knapp 660 Mitarbeiter sind bei Soex in Wolfen beschäftigt, davon etwa 450 Sortiererinnen.
Knapp 660 Mitarbeiter sind bei Soex in Wolfen beschäftigt, davon etwa 450 Sortiererinnen. Thomas Ruttke

WOLFEN/MZ. - Der Frühling hat begonnen. Für viele ist dies auch die Zeit, nicht mehr benötigte Winterpullover, -hosen oder -jacken in die Sammelbehälter zu werfen. Klappe auf, und weg sind die Kleidungsstücke. Doch was passiert anschließend mit ihnen? Diese Frage kann Florian Oeser beantworten. Er ist der Werksleiter der Textil-Sortierbetriebsgesellschaft "Soex" in Wolfen, die zurzeit knapp 660 Mitarbeiter beschäftigt - vornehmlich Sortiererinnen. "Am Anfang steht - in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz - der Sammelcontainer", sagt Oeser. 25 000 sind es im gesamten Bundesgebiet. Ihr Inhalt - etwa 320 Tonnen unsortierte Alttextilien - erreicht täglich das Unternehmen. Macht im Jahr weit über 100 000 Tonnen. "Das entspricht 13 Prozent der gesamten Alttextilmenge in Deutschland."

Einmal in Wolfen abgeladen, durchläuft jedes Kleidungsstück die gleiche Prozedur. Durch ein "ausgefeiltes Logistiksystem" gelangen die Pullover, Hosen oder Jacken in gelben Säcken á 60 bis 70

Kilogramm an die Sortierarbeitsplätze. "Materialien, Kleidungsarten, Marken, Stile, Farben oder Qualitäten - wir haben hier 400 Sortierkriterien", so Oeser. "450 dafür speziell ausgebildete Sortiererinnen sorgen mit ihrem unbestechlichen Blick und viel Fingerspitzengefühl dafür, dass am Ende stets die richtigen Produkte stehen."

Dabei gehen die Pullover, Hosen und Jacken in drei Schichten rund um die Uhr durch viele Hände. Dass die Frauen routiniert sind, sieht man aufgrund ihrer Schnelligkeit sofort. Dass diese Arbeit aber auch körperlich anstrengend ist, kann man sich denken. Das bestätigen auch die Betriebsratsvorsitzende Elke Lüer und die Mitarbeiterin des Qualifizierungsförderwerkes Chemie, Jana Csongár. Doch beide wissen ebenfalls über das soziale und gesundheitliche Engagement des Unternehmens zu berichten. So habe es etwa eine Befragung unter den Mitarbeiterinnen gegeben. Anliegen war es herauszufinden, wo denn der Schuh drückt. "Vor allem die Kinder- und Angehörigenbetreuung stand bei den Soexianern ganz weit oben", sagt Jana Csongár. Auch daher erwähnt Florian Oeser während des Werksrundgangs gegenüber Landrat Uwe Schulze (CDU), dass zukünftig in Kooperation mit dem Verein "Packt's an" eine Kinderbetreuung angeboten werde.

Fragt man Elke Lüer, was denn in Deutschland so alles in die Sammelcontainer geworfen wird, erhält man die Antwort: "Alles - wir hatten schon Brautkleider, aber auch eine Schildkröte." Ob das Tier absichtlich oder versehentlich weggeworfen worden ist, wisse sie nicht. Aber Emma - so der Name der Schildkröte - sei wohlauf und werde von einer Mitarbeiterin gehegt und gepflegt.

Aber zurück zum Betrieb. Bereits während des Sortierens wird entschieden, welchen drei Qualitätskriterien die Kleidungsstücke zuzuordnen sind. Das ist wichtig, bestimmt es doch ihren weiteren Werdegang. Während Textilien der ersten Qualität auf dem europäischen Gebrauchtwarenmarkt (Stichwort: Second Hand) vertrieben werden, gelangen Waren der zweiten Qualität in "Schwellenländer". Bleibt noch die dritte Qualität. "Das sind Alttextilien, die als Kleidung nicht mehr nutzbar sind", sagt Oeser.

"Die kommen also in die Reißerei", ergänzt Götz Wolff. Er ist Geschäftsführer der ebenfalls hier angesiedelten Soex Textil-Recycling GmbH. "Die Textilien werden zu feinsten Reißfasern verarbeitet, die zum Beispiel von der Automobilindustrie eingesetzt werden." Damit schließt sich für Soex der Kreis. "Wir behandeln die komplette Wertschöpfungskette des Rohstoffes Alttextilien: von der Sammlung der Altkleider in Deutschland über die Sortierung und das Recycling bis hin zum Handel mit den gewonnen Endprodukten", sagt Oeser. So könnten alle relevanten Aspekte des Alttextilgeschäfts gesellschaftlich sinnvoll und unternehmerisch profitabel vereint werden. "Bereits heute schaffen wir es, 95 Prozent der angelieferten Alttextilien weiterzuverwerten." Und so trügen die wieder in den Handel gebrachten Pullover, Hosen oder Jacken auch "zur Ressourcenschonung und zum Umweltschutz bei".