«Wir sind diejenigen, die hier das Licht ausknipsen»
WOLFEN/MZ. - Auch wenn ihm das bisher nicht nur Freunde bescherte. "Keine zehn Pferde kriegen mich und meine Familie aus Wolfen weg. Hier sind unsere Wurzeln." Jan Hädicke und seine Frau Sandy wuchsen in Wolfen-Nord auf, gingen dort zur Schule. Die Heimat in der Platte war für sie etwas Besonderes. "Die Zeit vergisst man nicht. Die Erinnerung ist in einem und bleibt in einem."
"Wer Arbeit will, der kriegt auch eine." Ein Slogan, der nach dem Fall der Mauer in Sandy Hädickes Kopf stecken blieb. Dieser und viele andere. Die heute 34-Jährige war nach der Wende voller Optimismus, voller Energie, um etwas im Leben zu schaffen. Nach ihrem erweiterten Realschulabschluss mit Fachhochschulreife stürzte sie sich in die Ausbildung, schloss als staatlich geprüfte Wirtschaftsassistentin ab. Doch ein Job war nicht in Sicht.
Die Jahre zogen ins Land, Umschulungen begannen, Umschulungen endeten. Weiterbildungen starteten und Sandy Hädicke bekam Zertifikate für die erfolgreiche Teilnahme. Papier ist geduldig. Aber Papier macht nicht satt. Als Nageldesignerin wagte sie den Sprung in die Selbstständigkeit und landete nach wenigen Monaten hart in der Realität. Wieder der Gang zum Arbeitsamt. Wieder Hartz IV-Empfänger. Halt gibt ihr die Familie. Aufzugeben, darüber hat Sandy Hädicke nie nachgedacht. Genau wie Ehemann Jan, der seit 2007 im Handelshof Bitterfeld arbeitet. Davor? "Man hat sich so durchgeschlagen", erzählt er. Aber immer hier, immer in der Nähe der Heimat. Für seine Frau hat das "Durchschlagen" nun auch ein Ende. "Endlich", meint die Wolfenerin.
Nach einem Praktikum beim Senioren-Service-Zentrum "Gisander" in Sandersdorf war es wohl einer der erfreulichsten Anrufe, den sie je entgegennahm. Ein richtiger Arbeitsvertrag für 20 Stunden in der Woche in der Verwaltung der Einrichtung. "Das Team ist super und ich bin glücklich", lacht jene Frau, deren Suche nach einem festen Arbeitsplatz nach fast zehn Jahren zu Ende gegangen ist.
"Ich hätte es mir leichter vorgestellt", meint Sandy Hädicke nachdenklich. "Wer eine Arbeit will, der kriegt auch eine", erinnert sie sich an den Nach-Wende-Spruch. Doch wie lange hat es gedauert!
Glücklich? "Und wie", sagen Jan und Sandy Hädicke. Zur Familie gehört auch Hannah-Charlize. Töchterchen und ihr ganzer Stolz. Die Fünfjährige geht nun in den Kindergarten, weil Mutti endlich Arbeit hat. Um den Besuch mit allem Drum und Dran im Monat zu finanzieren, reicht gerade das Kindergeld, berichten die Hädickes. "Wir kommen zurecht." Dabei haben sie Hilfe.
Hilfe, die nicht mit Geld aufzuwiegen sei. Hilfe von der Familie, Nachbarn und Freunden. Letztere wurden nach dem Mauerfall immer weniger. Sie erhofften sich im "Westen" das große Glück. Doch die meisten kehrten wieder zurück. Kamen "drüben" einfach nicht klar, erfuhren die Wolfener aus Gesprächen.
"Lieber für weniger Geld arbeiten, Hauptsache wir bleiben hier", betont das Ehepaar. "Es können doch nicht alle weggehen." Für Sandy und Jan Hädicke passt jetzt alles. "Wir wünschen uns, dass es so bleibt" und noch eines, dass sie nie in Wolfen das Licht ausknipsen müssen.