1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Vor 40 Jahren übernahm Hans Kindermann die Autowerkstatt seines Vaters in Sandersdorf

Die Karossen-Könige Vor 40 Jahren übernahm Hans Kindermann die Autowerkstatt seines Vaters in Sandersdorf

Inzwischen sind seine Blechkünste und seine Oldtimer sogar beim Film gefragt.

Von Christine Färber 08.05.2021, 12:00
Hans Kindermann, Sohn Stefan und der Excalibur.
Hans Kindermann, Sohn Stefan und der Excalibur. (Foto: André Kehrer)

Sandersdorf - Am Anfang steht ein Haufen verbeultes Blech. Am Ende fährt ein schicker Oldtimer vor. Das ist kein Zauberwerk sondern das der Karossen-Könige Kindermann in Sandersdorf. Wer ihnen sein Auto anvertraut, weiß, was er bekommt: Ein mit Verstand und Liebe wieder aufgebautes historisches Auto.

Aber auch durchaus moderne Wagen werden in der Werkstatt von Kindermann beispielsweise nach einem Unfall wieder tipptopp hergerichtet.

Im Büro des Familienunternehmens hat Ehefrau Ilona das Sagen

Hans Kindermann ist Karosserie- und Fahrzeugbauer sowie Autolackierer und Chef von sechs Mitarbeitern. Er ist ein Fan von alten Autos. Und er ist ein Mann, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht. Seit 1981 hat er seinen Meisterbrief in der Tasche und seine eigene Firma in Sandersdorf. Mit der hält er die Tradition, die sein Vater begründet hat, hoch. Und die wird auch in der nächsten Generation mit genau so viel Wissen, Können, Engagement und Herzblut fortgeführt. Das weiß er, Sohn Stefan tritt ganz in seine Fußstapfen.

Im Büro des Familienunternehmens indes hat Ehefrau Ilona das Sagen. Wer jetzt denkt, ihr Reich ist ein klassisches, nüchternes Zimmer, der irrt. Denn hier, in diesem großen, hellen Raum mit dem echten Pflasterfußboden fühlt man sich zurückversetzt in eine Zeit, in der man mit dem Statussymbol Auto aus der Nachkriegszeit ins Wirtschaftswunder startete. Solche europäischen Wagen und schnittige alte Schlitten aus Amerika sind Hans Kindermanns Leidenschaft.

Die Rekonstruktion von Oldtimern macht gerade mal fünf Prozent der Aufträge aus

Und der gediegene, schicke weiße Citroën von 1952, das älteste seiner Modelle übrigens, hat ihn gar schon in die Filmkulissen gefahren. Nach Potsdam. Für den Fernsehfilm „Aenne Burda“ (2018), der vom Aufstieg der Offenburger Verlegerin Aenne Burda erzählt. „Da war die Kulisse von Paris aufgebaut und ich musste in meinem Citroën am Café vorbeifahren, wo Frau Burda auf der Terrasse Kaffee trank“, erzählt er. „15 Mal für eine ganz kurze Sequenz.“ Aber immerhin: Wer kann schon sagen, hier dabei gewesen zu sein?

Sowas freilich ist schon etwas besonderes. Wie auch die Fahrten in den Urlaub mit seinem Lieblingswagen, dem glänzenden Excalibur. Das Auto, das den Namen des Schwerts des mythischen Königs Artus trägt. Oder die Treffen der Oldtimer-Freunde. Das ist Hobby. Und die Rekonstruktion von Oldtimern, die macht gerade mal fünf Prozent der Aufträge aus.

Aus jedem Stück Auto-Blech kann man wieder was machen.
Aus jedem Stück Auto-Blech kann man wieder was machen.
(Foto: André Kehrer)

„Wir kriegen Autos hin, die total kaputt sind, Wracks, halbe Autos ...“

Das Hauptgeschäft ist der Autobau. „Wir kriegen Autos hin, die total kaputt sind, Wracks, halbe Autos ...“ Und dafür hatte er in der DDR bereits seine eigene Basis. Als einer der ganz wenigen. Und ohne Parteibuch. „Wenn man das einmal will und konsequent den Weg geht, funktioniert das. Für Ersatzteile musste man natürlich selbst sorgen“, sagt er. Gerade Ende der 1970er Jahre sei die handwerkliche Leistung nach all dem, was in der sozialistischen Wirtschaft davor geschah, wieder geschätzt gewesen und sei gefördert worden.

Für seine Branche hat er nach der Wende gute Voraussetzungen, tolle Qualifikationen und das Können. „Alle Gewinne habe ich in die Firma investiert. Ich wollte in meinem Sektor immer vorne sein.“ Das ist ihm mit seinem Karosseriefachbetrieb, in dem er auf Fahrzeugbau und -lackierung spezialisiert ist, gelungen. Die Firma verfügt sogar über das seltene Europagarant-Zertifikat.

Seit 1996 ist Hans Kindermann zudem öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Halle

Von 6.000 Betrieben haben das gerade mal 800. Seit 1996 ist Hans Kindermann zudem öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Halle. Sohn Stefan ist gerade dabei, auch hier in seine Fußstapfen zu treten.

Dennoch spüre er gerade, wie sich das Ansehen der Handwerks- und Dienstleistungsbranche verschlechtere, sagt der erfahrene Meister. Von Jahr zu Jahr. Die Gesellschaft lebe auf zu großem Fuß. „Wir können uns Wohlstand nur leisten, wenn wir was erarbeiten“, sagt er. „Die 90er Jahre, die waren unsere Zeit.“

Dennoch ist er einer, der auch an andere denkt - an die Vereine der Stadt. „Ich bin ja hier aufgewachsen, da helfe ich auch.“ (mz)