Von Lachtauben zum Traumberuf
Bitterfeld/MZ. - Doch dann wurde er doch noch der erste private Tierarzt nach der Wende im Kreis Bitterfeld - mit der Steuernummer für Ärzte. Das geht nicht, das gibt es nicht - das sind für den 41-Jährigen Sätze, die ihn reizen, hartnäckig nachzuhaken und es irgendwie doch zu versuchen. So ist er zum Veterinärmedizin-Studium nach Leipzig gekommen, obwohl es die Lehrer an der Bitterfelder EOS für aussichtslos gehalten hatten. Bei 13 Bewerbern auf einen Studienplatz und dann noch zwei aus einer Klasse. "Das gibt es nicht", stand fest. Doch die beiden ließen sich nicht beirren - und wurden zugelassen.
In seiner Praxis kann die Herausforderung "Das geht nicht" das gebrochene Bein eines Hamsters sein, das sich beim besten Willen nicht schienen, aber mit viel Geschick verdrahten lässt. Im Stadtrat, in dem er der CDU-Fraktion angehört, können es Argumente sein, die ihn nicht vollends überzeugen. Und mit dieser Einstellung hat er auch die für ihn und seine Familie schwerste Zeit überstanden, als in der Flut 2002 ihr Haus und seine Praxis in der Jahn-Straße untergegangen sind. So schlimm, dass er überlegt hat, ob er aufgibt. Natürlich hat er weitergemacht. An das Hochwasser, den Totalschaden und die Hilfe, die er vom Land und von der Kammer bekommen hat, erinnert nur noch ein verrostetes Gerät aus Edelstahl in einer Vitrine.
Für Gito Schmidt, der aus Löbnitz stammt, wäre auch gar nichts anderes als sein Traumberuf Tierarzt in Frage gekommen. So war er als Schüler jeden Tag auf dem Bauernhof seiner Großeltern in Döbern. Dort gab es einen Fischteich, und er durfte Lachtauben halten. Auch jetzt haben die Schmidts zu Hause einen kleinen Tierpark, den die Töchter Stefanie (12) und Patricia (14) betreuen: Hund, Katzen, Zwergkaninchen, Meerschweinchen, Goldhamster und Wellensittiche. Auch wenn keine Lachtauben dabei sind, das Interesse der Töchter an Tieren lässt Hoffnungen auf eine Nachfolge der Praxis.
10 000 bis 15 000 Tiere, so schätzt Gito Schmidt, hat er seit 1990 behandelt. "Als Tierarzt muss man auch oft Psychologe sein", so seine Erfahrung. Einer, der ein Kind mit einem kranken Hasen trösten kann und versteht, was ein Hund für eine ältere Dame bedeuten kann. Nicht jeden Tag kommt jemand mit einem verletzten Waran unter der Jacke in seine Praxis. 55 Prozent der Patienten sind Hunde, 30 Prozent Katzen, der Rest Meerschweinchen, Goldhamster, Fische oder Wellensittiche.
Impfungen, Zahn-, Ohren- oder Augenbehandlungen zählen zu den Routineangelegenheiten. Doch seit seiner Zeit als Hilfsassistent an der Chirurgischen Tierklinik in Leipzig operiert er am liebsten. Er hat die Geduld für wahre Filigranarbeit. Eine Katze mit einer Trümmerfraktur stundenlang zu operieren, so dass dann wieder laufen kann, das sei schon was, sagt er. Aufreibend sind die Notfälle, von denen es 70 bis 120 im Jahr gibt.
Es ist sein Traumberuf geblieben, selbst wenn es selten weniger als 50 Wochenstunden in der Praxis werden. Auch seine Frau, von Beruf Agraringenieurin, arbeitet dort mit. Für Hobbys bleibt kaum Zeit. Und auch die haben bei Gito Schmidt mit dem Beruf zu tun: Seit 16 Jahren betreut er an den Wochenenden den Windhundeverein Bitterfeld.