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Vom Westen in den Osten Vom Westen in den Osten: Georg Frank war zehn Jahre lang Chef bei Bayer Bitterfeld

09.09.2017, 14:02
Georg Frank lebt auch als Rentner weiterhin in Dessau.
Georg Frank lebt auch als Rentner weiterhin in Dessau. Thomas Ruttke

Bitterfeld - Georg Frank kam im November 1994 das erste Mal nach Bitterfeld. Geplant war das nicht. Aber der Bayer-Vorstand hatte den Baden-Württemberger als neuen Chef für den Bitterfelder Standort auserkoren.

Frank arbeite davor lange in Wuppertal, war in den Vereinigten Staaten und zuletzt in Leverkusen für Bayer tätig. Dort forschte er im Bereich rezeptfreie Arzneimittel. „Da haben wir die Anwendung von Aspirin in der Herzinfarktprophylaxe entwickelt“, erinnert sich der 75-Jährige.

Dann kam der Bitterfeld-Ruf. „Ich habe gedacht: China würde ich machen, das ist exotisch und mehr Ausland als die USA. Aber Bitterfeld muss nicht unbedingt sein ...“

Frank war einer der ersten Bayer-Beschäftigten in Bitterfeld, die mit Familie in den Osten kamen

Aber er akzeptierte und blieb auch als Rentner in der Region. Noch immer wohnt er in Dessau, wo er sich vor 20 Jahren ein Haus gebaut hat. Das ist im Rückblick nicht selbstverständlich: „Als ich 1994 das erste Mal in den Osten fuhr, hat es hinter der ehemaligen Grenze gleich in der Nase gestochen. Das war irre.“

Frank wohnte anfangs in einem Gästehaus von Bayer. Dann zog er vorübergehend ins Dessauer Steigenberger-Hotel. „Ich wollte ja, dass meine Frau mitkommt.“ Frank war einer der ersten Bayer-Beschäftigten, die samt Familie von einem westdeutschen Standort nach Bitterfeld wechselten.

Anfangs seien nur fünf Leute „rübergekommen“. Alle anderen Bayer-Mitarbeiter in Bitterfeld waren aus der Region. Sie kamen aus der Filmfabrik oder dem CKB, berichtet Frank.

„Die Aspirinfabrik wollte anfangs nicht so richtig laufen“

Im März 1995 übernahm er als Chef die Tablettenproduktion bei der Bayer-Bitterfeld-GmbH, zwei Jahre später stieg er auf zum Chef des gesamten Standorts. „Die Aspirinfabrik wollte anfangs nicht so richtig laufen.“

Ende August 1995 liefen die ersten Tablettenpackungen vom Band. Zuvor gab es lediglich Probeläufe im neuen Werk. Nur 170 Millionen Tabletten liefen 1995 vom Band. Heute sind es mehr als sieben Milliarden.

Frank erinnert sich noch an die Skepsis in der Bevölkerung gegenüber Bayer. „Die Leute wollten keine Chemie mehr vor der Haustür haben, sie hatten die Nase voll.“ Um die Bitterfelder zu besänftigen, charterte das Unternehmen Busse und fuhr mit ihnen nach Leverkusen.

„Wir haben den Menschen gezeigt, wie moderne Chemie Anfang der 90er Jahre aussieht.“ Nach den Ausflügen habe sich die Stimmung verändert.

32 Jahre blieb Georg Frank bei Bayer

In seinen jungen Jahren war Frank noch weit weg von einem Engagement bei dem Pharmariesen. Er zählt sich zur 68er-Generation. Damals demonstrierten tausende Studenten gegen verkrustete Strukturen und die Nichtaufarbeitung des Nationalsozialismus.

In Tübingen, wo Frank Biologie studierte und später in Chemie promovierte, lebte Gudrun Ensslin, Mitglied der linksradikalen Rote Armee Fraktion (RAF). Das färbte ab: „Wir waren der Großindustrie gegenüber reserviert eingestellt.“ Das änderte sich, als Frank bei Bayer in Wuppertal anfing. 32 Jahre blieb er danach dem Unternehmen treu.

2005 dann der Abschied. Frank ging in Ruhestand und bekam noch eine Auszeichnung vom Land für sein wirtschaftliches Engagement. Der Baden-Württemberger hätte gerne noch ein, zwei Jahre bei Bayer drangehängt. Aber der Vorstand legte ihm den Abschied nahe. „Der Job war traumhaft.“

Distanz zum Bayer-Hauptsitz in Leverkusen hatte viele Vorteile

Die Distanz zum Bayer-Hauptsitz nach Leverkusen hatte Vorteile. „Da ist nicht jeden Tag jemand vorbeigekommen und hat reingequatscht. So viel Freiraum hatte man bestenfalls noch im Ausland“, gibt der frühere Geschäftsführer preis.

Bayer ist Frank ans Herz gewachsen. In seinem Garten hängt eine Reklametafel mit einem Bayer-Logo. Sie befand sich zuletzt an einer Wolfener Apotheke. Mitarbeiter von Bayer schenkten sie Frank zu dessen Abschied aus dem Unternehmen.

Und heute? Der 75-Jährige besitzt ein Häuschen in Altea an der spanischen Ostküste. Drei bis vier Mal pro Jahr fährt er derzeit mit seiner Frau in das Mittelmeerland. „Dort haben wir in 200 Metern Höhe einen Traumblick.“ Aber ganz dorthin absetzen möchte er sich nicht. „Wir haben hier in Dessau viele Freunde.“ (mz/stsc)