Versehrtensport Versehrtensport: Alle Achtung: Alle Neune

Wolfen - Das wichtigste Utensil für ihn, sagt Ralf Peter Lokat, ist das Monocular. Dieses kleine Fernrohr trägt fast jeder der sehbehinderten Kegler um den Hals. Mit dessen Hilfe gelingt es jenen Männern und Frauen, die noch einen Rest Sehvermögen haben, alle Neune am Ende der Bahn zu sehen. Sie aber im Wettkampf zu verwenden, das ist streng verboten. Da steht die Vertrauensperson Übungsleiter hinter dem Sportler und gibt wesentliche Hinweise.
Am Wochenende jedenfalls war das Hilfsmittel wieder viel im Einsatz. Denn auf der Kegelbahn der SG Chemie Wolfen im Jahn-Sportpark fand das 20. Internationale Kegelturnier der Versehrtensportler statt. 82 blinde und sehbehinderte Kegler waren am Start. Sie kamen aus Österreich, aus Kroatien und aus vielen Bundesländern Deutschlands. Insgesamt warfen 19 Mannschaften die Kugel. Und von denen kamen gleich vier aus Wolfen.
Die Fuhnestädter sind im Kegeln ganz besonders erfolgreich. Erst vor wenigen Tagen kehrten Edith Rien und Ralf Peter Lokat gekrönt als Vizeweltmeister im Mixed aus der Slowakei zurück. Die Freude ist heute noch riesig, denn verloren haben sie gegen einen echt harten Gegner, gegen die Kroaten.
„Aber: Wir haben nicht Gold verloren, wir haben Silber gewonnen“, sagt Lokat lächelnd und zeigt seine Medaille. Davon hat er so viele, wie man es sich kaum vorstellen kann. Immerhin: Der Sportler ist mittlerweile 26-facher Deutscher Meister. Sein Übungsleiter Martin Solenski, mit dem er seit vielen Jahren zusammenarbeitet, hat daran einen großen Anteil.
Auch die anderen Wolfener Versehrtenkegler übrigens können Hervorragendes vorweisen. Zehn Mal haben sie den Blindenpokal, den der Blindenverband vergibt und der eine echte Herausforderung ist, erkämpft. „Unsere kleine Abteilung - wir sind die Größten in Europa“, meint Karin Lehmann, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Kugel greift, dafür heute die gute Seele des Vereins ist. „Wir sind überall dabei - und gern gesehen.
Wenn man Freunde hat, dann ist das so.“ Die sympathische Frau lacht. Ja, Kegeln, das ist nicht irgendwas. Das ist Training, Training, Training und Nervensache. Hast du die nicht, sagt Karin Lehmann, dann bist du verraten und verkauft. „Tja, wäre Kegeln einfach, wäre es Fußball“, scherzt Lokat. Und das finden wohl fast alle seiner 18 Vereinskollegen - vor der Wende übrigens waren es sage und schreibe 80. Die meisten von ihnen haben die Region verlassen. Schade, meint Karin Lehmann und hebt die Schultern.
Das Internationale Kegelturnier richten die Versehrtensportler der SG Chemie Wolfen jedes Jahr aus. Jetzt rollt die 2,8 Kilo schwere Kugel übrigens auf einer nagelneuen, supermodernen Bahn. (mz)
