Tony Marshall und die «Schöne Maid» von Jeßnitz
JESSNITZ/MZ. - Sie sind eine Woche bei der singenden Wirtin Angela Novotny zu Gast. Ein Zufall?
Marshall: Ganz und gar nicht. Mein Freund und Kollege Bata Illic hat mir von seinem Auftritt vom Musikhotel erzählt und gesagt: Tony, wenn Du Zeit hast, fahre einfach hin. Die Atmosphäre stimmt. Ganz ehrlich: Von Jeßnitz hatte ich vorher nie etwas gehört. Aber bei einem kurzen Stopp zwischen meinen Auftritten haben wir alles klar gemacht. Das war bereits im vorigen Jahr.
Und jetzt feiern Sie den 14. Geburtstag des Hauses mit.
Marshall: Ja, das ist schon ungewöhnlich. Groß feiert man doch eigentlich runde Geburtstage. Aber so ist es auch wunderbar. Hier im Jeßnitzer Hotel gibt es zwar nicht den Platz für sehr viele Leute. Aber die Besucher sind alle mit dem Herzen dabei - das spürt man. Sie freuen sich. Da bin ich genau richtig.
Tony Marshall füllt Konzertsäle und hat Gefallen an Biergarten-Auftritten?
Marshall: Warum denn nicht? Als Sänger sind wir dazu da, den Menschen eine Freude zu bereiten. Ich singe auch in einem großen Saal, wo vielleicht nur 50 Besucher sitzen. Ohne Publikum wären wir doch nichts. Den Fans haben wir wirklich alles zu verdanken. Die Arroganz mancher Kollegen ärgert mich da schon. Das ist absolut nicht mein Fall.
Sie gehen auf ihre Fans zu, setzen sich zu ihnen, singen gemeinsam. Ist das Programm oder Lebensgefühl?
Marshall: Ich liebe Musik. Mit ihr kann man alt werden und Freude transportieren. Von mir als Schlagersänger erwartet niemand, dass ich den perfekten Caruso gebe. Die Leute wollen meine Lieder hören. Und sie wollen eine schöne Zeit haben.
Sie haben Gesang studiert und sind von Hause aus Opernsänger. Ist es wirklich wahr, dass Sie damals alles tun wollten, um die Aufnahme "Schöne Maid" zu verhindern?
Marshall: Die Geschichte stimmt. Ich kannte die Ursprungsmelodie der Maori aus Neuseeland und ich fand sie wunderbar. Aber die Version, die mir Jack White angeboten hat, die war absolut nicht mein Ding. Also habe ich überlegt, wie ich aus der Nummer rauskommen kann. Ich habe in Berlin kurz vor den Aufnahmen im Tonstudio einen Liter Wein getrunken und natürlich erwartet, dass Jack mich aus dem Studio schmeißt. Ich schaute auf das Rotlicht für die Aufnahme. Aber das ging und ging einfach nicht aus. Jack White hat meine Stimme etwas zurückgenommen, den Chor nach vorn gebracht. Das Ergebnis kennen alle.
Die "Schöne Maid" war ihr größter Erfolg. "Bora Bora" ein anderer. Gibt es Tony Marshall immer nur locker und beschwingt?
Marshall: Als Schlagersänger wird das von mir erwartet. Und das macht ja auch Spaß. Aber natürlich gibt es auch die weniger schönen Seiten des Lebens. In meiner Stiftung versuche ich zum Beispiel gemeinsam mit meiner behinderten Tochter Stella Wohn- und Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Das ist eine Aufgabe, die nicht weniger Herz erfordert.
Tony Marshall geht im April / Mai 2010 mit "Anatevka" auf Europatournee. Ist der Milchmann Tevje eine Traumrolle?
Marshall: Ganz klares "Ja". Auf der Bühne lebe ich den Tevje. Da braucht es bei mir keinen Schauspielunterricht.
Woher kommt das?
Ich weiß es nicht. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich auf einem Bauernhof aufgewachsen bin und auch einmal Milch ausgefahren habe. Das Jiddisch, von dem die Rolle lebt, habe ich nie gelernt. Aber es geht mir ganz einfach über die Lippen. Wenn ich die Milchkanne schnappe und auf die Bühne gehe, ist die Welt für mich in Ordnung. diese Rolle ist wirklich ein Traum für mich.
Anatevka macht auch in Sachsen-Anhalt Station?
Marshall: So weit ich weiß, ja. In Halle und Magdeburg werden wir nächstes Jahr gastieren. Ich werde nebenher aber auch meine Gala-Auftritte haben.