Selbsthilfegruppe Selbsthilfegruppe: Schwere Rückkehr ins Leben
Zahna/MZ. - Im Gegensatz zu den anonymen Alkoholikern stehen die Mitglieder dieser Selbsthilfegruppe für alkoholkranke Männer und Frauen öffentlich und namentlich zu ihrer Krankheit. "Die Leute haben mich gesehen, wie ich auf allen Vieren besoffen durch die Gosse gekrochen bin", sagt Ellinger. "Da muss ich nicht verheimlichen, dass ich alkoholkrank bin." Sich zu bekennen, meint auch Klaus Mielich, sei die beste Möglichkeit, mit der Alkoholkrankheit zu leben. "Heilbar ist sie sowieso nicht, aber zu stoppen."
Mit schonungsloser Offenheit erzählen sie ihre Geschichten. Ein so genannter Gamma-Trinker war Peter Ellinger, einer, der völlig die Kontrolle verliert und trinkt, bis er umfällt. Schon mit Zwölf habe er mit "harten Sachen" angefangen, sich bald ganze "Granaten" eingeholfen, am Ende bis zu drei großen Flaschen auf einmal. "Ich habe das Delirium erlebt", gesteht Ellinger.
Daraus erwacht ist er im Krankenhaus. Doch die Einsicht, dass er mit der Sauferei sich selbst und andere zerstört, kam ihm erst später - als er eine Frau kennen lernte. Ellinger machte eine Therapie. Und wurde noch einmal rückfällig, "weil ich glaubte, mich nun kontrollieren zu können".
Seit acht Jahren ist er nun trocken. Und weil er erfahren hat, dass es nichts Schlimmeres gibt, "als wenn man nach so was ganz alleine da steht", gründete er die Selbsthilfegruppe. Sogar einen Gruppenleiter-Lehrgang bei der Diakonie hat er dafür absolviert, über 80 Stunden - mit Prüfung. Viel wichtiger als der wöchentliche Treff der Gruppe sei, dass einer für den anderen da ist, rund um die Uhr. "Irgendwann", weiß auch der Gruppenleiter, "kriegt jeder mal eine Krise. Da ist schon viel geholfen, wenn nur einen hat, mit dem er reden kann."
"Manche verwechseln uns aber mit Samaritern", erzählt Ellinger weiter. "Da ruft jemand an - bei Plus stünden ein paar Säufer - um die könnten wir uns ja mal kümmern." Das laufe so nicht: "Wer zu uns will, muss von selber kommen."
"Es nützt auch nichts, jemanden bekehren zu wollen", ergänzt Klaus Mielich. "Der erste Weg, um von dem Zeug los zu kommen, ist, wenn es hier oben klar ist", zeigt er sich an die Stirn. Und es liege ihm auch fern, irgend jemandem vorzuschreiben, keinen Alkohol zu trinken. "Alkohol ist nun mal gesellschaftsfähig." Dennoch geht der 47-Jährige auch in die Schule, um den Jugendlichen am eigenen Beispiel zu erzählen, wohin Missbrauch führen kann. Weil erschreckend sei, was die Jugend konsumiere. "Aber ich habe ja auch so früh angefangen."
Aufräumen wollen die "Rückkehrer" aber auch mit dem Bild von dem Penner auf der Parkbank, wenn vom Alkoholiker die Rede ist. Vertreter aller Altersgruppen und sozialen Schichten hat Mielich in der Suchtklinik in Kelbra kennengelernt. Vor allem Spiegeltrinker, wie er einer war, können ihre Sucht sehr lange verbergen. "Hauptsache, man meidet Kaffeetafeln", blickt er heute sarkastisch zurück.
Er habe übrigens, um ein neues Leben in den Griff zu bekommen, sein Umfeld gewechselt "ohne mich zu isolieren". Ist nach Wittenberg gezogen, hat sich ein Hobby gesucht, kommt aber gerne in die Gruppe nach Zahna. Doch weiß auch er: "Vor einem Rückfall ist keiner von uns gefeit."
Was die "Rückkehrer" aber dennoch nicht mögen, ist Bevormundung. "Im Supermarkt werden wir ganz genau beobachtet, was wir einkaufen", so Ellingers Erfahrung. Und wehe, es ist eine Flasche im Korb, als Mitbringsel für jemanden
anders. "Du darfst doch nicht", wird dann belehrt. Da kriege er so 'nen Hals. Rechenschaftspflichtig - das haben sie alle in der Therapie gelernt, sind sie nur sich selbst gegenüber. "Ich darf nicht" gebe es da sowieso nicht, nur: "Ich will das nicht und ich brauche das nicht." Aber, ergänzt Mielich: "Das ist auch jeden Tag ein neuer Kampf."