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Schwaben gehen auf Einkaufstour

Von Alexander Schierholz 28.06.2005, 17:04

Bitterfeld/MZ. - o Wer ist Blauwald?

Die Blauwald GmbH und Co KG ist eine Tochterfirma des Pharmaherstellers Ratiopharm, der zum Firmenimperium des Industriellen Adolf Merckle zählt. Dem Forstbetrieb gehören rund 10 000 Hektar Wald - überwiegend in Süddeutschland -, die nachhaltig bewirtschaftet werden.

o Wie sieht das Angebot der Firma aus?

Blauwald will zusammen mit dem Goitzsche-Zweckverband den See und angrenzende Wald- und Uferflächen kaufen. Gegründet werden sollen gemeinsam zwei Firmen, eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft, an denen die Kommunen über den Zweckverband jeweils mindestens 51 Prozent der Anteile halten sollen.

o Warum will Blauwald ausgerechnet die Goitzsche kaufen?

Ende vorigen Jahres hat die Firma den Gremminer See bei Gräfenhainichen erworben. Auch der kleine Neuhäuser See in Sachsen gehört ihr. Im Sinne einer einheitlichen Entwicklung der gesamten Region als Erholungsgebiet lag es für Blauwald nahe, sich auch für die Goitzsche zu interessieren.

o Besteht die Gefahr, dass die Kommunen am Ende außen vor bleiben und der See Blauwald alleine gehört?

Schwer zu sagen. Geplant ist, dass Blauwald den Zweckverbands-Gemeinden einen Kredit gibt, damit diese ihre Anteile an der Besitzgesellschaft finanzieren können. Als Sicherheit verlange Blauwald den See und die Uferflächen, sagt Berater Hans-Martin Oettinger. Im Klartext: Sollten die Kommunen in finanziellen Schwierigkeiten stecken und ihre Anteile nicht mehr halten können, würde die Goitzsche komplett an Blauwald fallen. Die Betriebsgesellschaft, versichert Oettinger, solle aber in jedem Fall mehrheitlich kommunal bleiben. Sie soll Wasser- und Landflächen von der Besitzgesellschaft pachten. Für den Kredit hat Blauwald nach eigenen Angaben günstige Konditionen angeboten.

o Wird der See weiterhin für jedermann zugänglich sein?

Das hat Blauwald zugesichert. Oettinger: "Die Leute sollen den See nutzen. Es bringt uns nichts, einen Zaun zu bauen." Er verweist darauf, dass die Wasserfront und der Uferweg ohnehin frei nutzbar sind. Der Weg und öffentlich zugängliche Strandbereiche sollen den Kommunen laut Oettinger sogar kostenlos übertragen werden. Blauwald will zudem in den Ufervertrag eintreten und sich so dazu bekennen, dass die Ufer öffentlicher Raum sind. Darüber hinaus könnten die Kommunen auch über ihre Flächennutzungspläne entsprechend Einfluss nehmen.

o Es ist immer die Rede davon, der See solle entwickelt werden. Was heißt das konkret?

Baugrundstücke sollen an Investoren verkauft werden. Mit den Erlösen könnten die Kommunen auch finanzielle Engpässe ausgleichen, sagt Oettinger. "Sollten Privatgrundstücke bis an den See reichen, würden wir trotzdem versuchen, einen öffentlichen Durchgang zu erhalten." Das werde andernorts auch so praktiziert.

o Wie groß sind die Chancen, Interessenten für Baugrundstücke zu finden?

Laut Oettinger sind im Kaufvertragsentwurf etwa neun Hektar als Bauflächen ausgewiesen. "Wenn davon zwei bis drei Hektar verkauft werden, ist das schon viel." Das seien etwa 20 bis 30 größere Grundstücke, "dafür muss man erstmal Interessenten finden". Notwendig sei eine Abstimmung mit anderen Partnern, "damit am Ende nicht fünf Restaurants an der Wasserfront stehen, von denen dann zwei Konkurs anmelden".

o Wie groß sind die Chancen, dass die Goitzsche sich als Erholungsgebiet behaupten kann?

Die Mecklenburger Seenplatte oder die Gewässer rund um Berlin seien nicht zu schlagen, räumt Oettinger ein. "Dort sind aber auch die Grundstückspreise viel höher." Der Blauwald-Berater betrachtet die Goitzsche gerade für Süddeutschland als eine Alternative, auch wegen der Entfernungen.

o Hinter Blauwald steht der Industrielle Adolf Merckle. Was ist das für ein Unternehmer?

Zu seinem weitverzweigten Firmenimperium gehören so unterschiedliche Unternehmen wie Ratiopharm, der Pistenbully-Hersteller Kässbohrer oder - die jüngste Neuerwerbung - Heidel-Cement, der größte Baustoffkonzern Deutschlands. Kritiker werfen Merckle vor, vor allem auf das Nutzen von Steuerschlupflöchern aus zu sein und sein Unternehmensgeflecht nach Gutsherrenart zu regieren. An wichtigen Schaltstellen sitzen Verwandte. "Der Pate aus Blaubeuren" überschrieb das "Manager Magazin" vor zwei Jahren einen Beitrag über ihn.

o Warum legt Merckle sein Geld nicht in lukrativeren Projekten an als in einer Erholungslandschaft, die erst noch entwickelt werden muss?

"Bevor ich mein Geld im Ausland unter die Leute bringe, mache ich hier etwas Vernünftiges." - So beschreibt Berater Oettinger die Philosophie des Schwaben. Dem 71-Jährigen gehe es auch darum, nachhaltig Werte zu schaffen. "Das ist eine ganz bodenständige Unternehmerfamilie, die nicht den schnellen Profit will." Zudem seien Land- und Forstwirtschaft "ein großes Hobby" Merckles.