Schneider der alten Schule
Bitterfeld/MZ. - Da Lubinski immer bestrebt war, sich weiterzuentwickeln, lernte er 1956 in einer Zuschneideschule in Leipzig weitere wichtige Grundlagen des Schneiderhandwerks. "Ich wollte vorwärts kommen", sagt er heute. Kurz danach begann er deshalb im August des gleichen Jahres einen Meisterlehrgang im damaligen Karl-Marx-Stadt. Am 6. Dezember 1956 war es dann soweit: Lubinski hielt seine Schneidermeister-Urkunde in den Händen. Dieser Tage hat er demnach sein 50. Meister-Jubiläum.
Die Handwerkskammer Halle hatte am Mittwoch zur Auszeichnung der Goldmeister auch Wolfgang Lubinski eingeladen. Aus gesundheitlichen Gründen konnte er jedoch nicht zur der Feier kommen. Gern erinnert er sich jedoch noch heute an seinen beruflichen Einstieg ins Schneiderhandwerk, auch wenn dies nicht unbedingt sein Traumberuf war. "Mein Meisterstück waren ein Anzug mit Weste und ein Frack", erzählt der heute 75-Jährige. Diese schweren Stücke gelangen dem damals noch sehr jungen Mann tadellos. Schließlich ist Lubinski ein Schneider alter Schule, wie es sie heute nur noch selten gibt. Das Schneidern wurde ihm irgendwie mit in die Wiege gelegt: Sein Opa, sein Vater, sein Onkel und sein jüngerer Bruder hatten sich alle diesem Handwerk verschrieben. Mit einer soliden Ausbildung in der Tasche war Lubinski gerüstet, im Jahr 1968 die Werkstatt seiner Eltern zu übernehmen. In der DDR-Mangelwirtschaft gab es für ihn und seinen Bruder, mit dem er seit den 70er Jahren zusammenarbeitete, jede Menge zu tun. "Ich habe für die Leute unter anderem Schlaghosen geschneidert, wie es sie damals nur im Westen gab", berichtet Lubinski. Manchmal habe er von der Schneidergenossenschaft auch Reste des begehrten schweren Jeansstoffes bekommen, aus denen er Hosen schneiderte.
Nach der Wende seien dann häufig maßgeschneiderte Kostüme und Anzüge gefragt gewesen, weil es plötzlich viele schöne Modelle und Stoffe gab. Im Laufe der Jahrzehnte in seinem Beruf hat Lubinski so manche knifflige Sache maßgerecht hinbekommen und war danach immer stolz auf das, was er mit Nadel und Faden gezaubert hat. Wenn ein Stück fertig werden musste, hat er oft bis tief in die Nacht hinein genäht.
Im Laufe der Jahre wurden die Aufträge weniger. Lubinski musste schließlich seine Schneiderwerkstatt aufgeben, weil sein Bruder 1992 in den Vorruhestand ging. "Ich konnte diese Firma allein nicht mehr halten", sagt er. Also ging der gesundheitlich angeschlagene Schneidermeister mit 62 Jahren in die Berufsunfähigkeits- und später in die Altersrente. Eigentlich schade, dass die Familientradition nicht fortgeführt wurde, aber die beiden Kinder der Lubinskis hatten kein Interesse am Schneiderhandwerk.
Heute macht Lubinski nur noch ein paar Änderungsarbeiten für seine Familie. Aber auch die werden ganz akkurat erledigt, wie es sich für einen Schneidermeister der alten Schule gehört.