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Schatten des Krieges Schatten des Krieges: US-Amerikanern klärt offene Stelle in Geschichte von Raguhn

Von Tilo Krippendorf 27.11.2019, 11:20
Ursula Borstorff mit einer Fotografie des Gedenkschreibens, das 1994 in Raguhn gefunden worden war.
Ursula Borstorff mit einer Fotografie des Gedenkschreibens, das 1994 in Raguhn gefunden worden war. André Kehrer

Raguhn - Im April 1945 kamen die US-amerikanischen „Timberwölfe“ nach Raguhn. In der Markestraße bezogen sie Quartier und beschossen von oberhalb das Zentrum der Stadt, wo sich die Deutschen am strategisch wichtigen Muldeübergang verschanzt hatten. So berichtet es der US-Soldat William E. Bracey in seinem Kriegsbericht „Battle of Raguhn“. Die Stadt trug große Schäden davon und viele Soldaten ließen ihr Leben.

Die Kämpfe von damals haben tiefe Spuren hinterlassen, auch heute noch in den Köpfen vieler Raguhner. Eine, die sich sehr intensiv mit der Geschichte des Ortes auseinandersetzt, ist Ursula Borstorff. Die 93-jährige Chronistin bewahrt die Zeitläufte Raguhns.

Ein Glücksfall hat nun einen bisher ungeklärten Punkt der Stadtgeschichte geklärt. „Was 25 Jahre nicht geklärt werden konnte, ist nun innerhalb weniger Stunden geschehen“, sagt Borstorff. Die Raguhnerin wollte wissen, welcher Amerikaner im Jahr 1994 am Feuerwehr-Gerätehaus ein Schreiben und Blumen in Andenken an seinen Vater niedergelegt hatte. In dem Schreiben, das Anwohner fanden, heißt es auf Englisch „In Gedenken an meinen Vater Tom Kendrew. 104. Infanterie Division Timberwölfe, 17. April 1945. In liebender Erinnerung. Dein Sohn Skip“.

Vor kurzem berichtete die MZ über den Besuch eines der letzten lebenden Timberwölfe

Die Chronistin versuchte jahrelang Kontakt über offizielle Stellen zu jenem Skip herzustellen, doch das gelang nicht. Vor kurzem berichtete nun die MZ über den Besuch eines der letzten lebenden Timberwölfe, Brice Thornton, in der Region. Durch den Kontakt über die hallesche Graf-Luckner-Gesellschaft kam ein spontaner Besuch der US-amerikanischen Reisegruppe in Raguhn zustande. „Und plötzlich hatte ich darüber den Kontakt zu Skip“, berichtet Borstorff.

Die wenigen Stunden mit dem ein Jahr älteren Thornton seien sehr erfüllend gewesen, so Borstorff. „Wir haben uns wunderbar verstanden.“ Mit Hilfe eines Dolmetschers und den Erinnerungen an das Englisch kam ein Gespräch über die bewegenden letzten Kriegswochen zustande.

Borstorff lassen die Aspekte der Geschichte Raguhns nicht los. Bald trifft sie sich mit Russen und Holländern, die Verbindungen zur Stadt haben wollen - all das soll in Erinnerung bleiben. (mz)

Die 104. Infanteriedivision der US-Armee wurde 1942 in den aktiven Kriegsdienst einbezogen. Sie landete am 7. September 1944 in Frankreich und durchquerte das Land in Richtung Osten und dabei in Richtung der Niederlanden. Dann überquerten die Truppen den Rhein und marschierten weiter ostwärts.

Am 11. April waren Teile der Division an der Befreiung des Konzentrationslagers Nordhausen beteiligt. Mitte April lagen die Truppen vier Tage lang vor den Toren von Halle, das schließlich weitgehend kampflos eingenommen wurde. Nach dem Überqueren der Mulde trafen die „Timberwolves“ am 26. April in Pretzsch bei Wittenberg auf die von Osten vorrückenden sowjetischen Truppen.