Sandersdorf-Brehna Sandersdorf-Brehna: Schluss mit Diät der Diäten?

Sandersdorf-Brehna/MZ - Schluss mit der Diät der Diäten. Das hat sich Andreas Wolkenhaar, CDU-Stadtrat von Sandersdorf-Brehna, gedacht. Und es während der vergangenen Sitzung des Gremiums - der dritten nach der Neuwahl im Mai diesen Jahres übrigens - auch gesagt. Damit hat er ein naturgemäß sehr sensibles Thema auf die Tagesordnung gehoben. Und wenn Wolkenhaar davon ausgegangen ist, dass er durch die Reihen Zustimmung ernten würde, sah er sich schwer getäuscht.
Für seinen Parteifreund Edgar Holicki aus Ramsin ist es schlicht und einfach der absolut falsche Zeitpunkt, über eine solche Forderung nachzudenken. „Der neue Stadtrat hat noch nichts geleistet und will schon eine Erhöhung der Entschädigungen. Das kann nicht sein“, sagt er. Der Mann, der seit 1994 Gemeinderat ist und von Anfang an im Rat der 2009 fusionierten Stadt Sandersdorf-Brehna sitzt, schüttelt den Kopf. Die hiesigen Sätze für die Abgeordneten, die niedriger sind als die in vergleichbaren Kommunen wie Raguhn-Jeßnitz, Zörbig, Weißandt-Gölzau etc. irgendwann anzugleichen, das sei angesichts der umfangreichen ehrenamtlichen Arbeit und des gewaltigen Zeitaufwandes sicher berechtigt. „Aber nicht sofort.“ Holicki verweist auf den Haushalt: Denn Diäten erhöhen, bedeute zugleich, anderswo Abstriche machen zu müssen.
Wolkenhaars Vorschlag sieht so aus: Aus 50 Euro Grundpauschale, die ein Abgeordneter des Stadtrates Sandersdorf-Brehna derzeit im Monat für seine ehrenamtliche Arbeit als Stadtrat bekommt, sollen 75 Euro werden. Der Betrag pro Stadtratssitzung soll von zehn auf 13 und der pro Ausschusssitzung von 7,50 auf ebenfalls 13 Euro erhöht werden. Die derzeit geltenden Entschädigungen sind übrigens 2009 nach der Städtefusion von der Verwaltung vorgeschlagen und von den Räten angenommen worden.
Bürgermeister ist skeptisch
Insgesamt handelt es sich um über 10.000 Euro im Jahr, die aus der Stadtkasse dafür fließen müssten. Bei einem Verwaltungshaushalt, der rund 21 Millionen Euro umfasst, peanuts, könnte man meinen. Doch Bürgermeister Andy Grabner (CDU) beurteilt das aus seiner Sicht anders. „Ich würde das Geld lieber nutzen, um für die Kinder was zu tun, Beschäftigungsmaterial für die Kitas zu kaufen oder ähnliches“, sagt er. „Wir müssen sparen an allen Ecken und Enden.“ So gelte zur Zeit auch ein Haushaltsstopp in Sandersdorf-Brehna. Und der Zwölf-Millionen-Euro-Kassenkredit, den die Kommune aufnehmen darf, sei immer „gut ausgeschöpft“, sagt der Bürgermeister.
Wolkenhaar und seine Mitstreiter führen andere Argumente ins Feld. „Es ist immer schwerer, Leute zu finden für das Ehrenamt. Wir treffen wichtige Entscheidungen und wenden sehr viel Zeit auf“, sagt er. „Es geht doch auch um die Anerkennung. Man sollte das nicht unterschätzen.“ Die Aufwandsentschädigung - der studierte Politikwissenschaftler macht einen kleinen Exkurs in die Geschichte - sei Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführt worden, um die Räte unabhängig zu machen. „Früher war es so, dass der, der es sich leiten konnte, Politik gemacht hat. Die Aufwandsentschädigung bot erstmals die Möglichkeit, dass sich auch der Normalbürger engagieren konnte. Das ist schon eine wichtige Entscheidung gewesen.“
Also: Halten in Sandersdorf-Brehna die Diäten weiter Diät? Darüber ist noch zu reden. Auf der Stadtratssitzung im Oktober soll das Thema erneut eine Rolle spielen. Und ein Argument will Wolkenhaar gar nicht zulassen: der falsche Zeitpunkt für die Diätenerhöhung. „Wann ist der richtige?“ Die Diäten seien kein Geschenk und keine Selbstbedienung. Auf die haben die Abgeordneten einen Rechtsanspruch.
Kein Gehalt
Diäten sind kein Gehalt, sondern Tagegeld als Aufwandsentschädigung. Sie stammen aus den Anfängen des Parlamentarismus, als die wohlhabenden Abgeordneten zu den Sitzungen fuhren und dafür keine Besoldung bezogen. 1906 wurde ihnen per Gesetz eine „Entschädigung“ zugesprochen. Im Grundgesetz ist in Artikel 48 festgeschrieben, dass Abgeordnete Anspruch auf eine „angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“ haben.
Der Begriff „Diät“ kommt aus dem Lateinischen von „dies“ (Tag). Dass die Aufwandsentschädigung Diät heißt und nicht „Diet“, wie es von der Wortherkunft korrekt wäre, hat offenbar mit dem französischen Begriff „diète“ (tagende Versammlung) zu tun. Das „è“ klingt im Deutschen wie ein „ä“.