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Roland Gräf Roland Gräf: Ein Blick auf die Welt aus der Provinz

Von Christine Krüger 28.10.2014, 16:22
Roland Gräf - hier mit seiner Enkelin Flora. Die Fotografien sind bis zum 12. November im Industrie- und Filmmuseum zu sehen.
Roland Gräf - hier mit seiner Enkelin Flora. Die Fotografien sind bis zum 12. November im Industrie- und Filmmuseum zu sehen. André Kehrer Lizenz

Wolfen - Ein Mann radelt auf einem Feldweg in den Nebel. Der Baum rechts von ihm wird gleich wie er selbst in einem watteweichen Nichts versinken.

Ein Fotomotiv - tausendmal gesehen. Ja, und tausendmal ist nichts passiert ... Aber hier. Doch warum? Weil dieser gut beobachtete, zufällig scheinende und eine ganze Geschichte erzählende Moment es wirklich kann: ein Bild sein. Roland Gräf hat genau diese Aufnahme als Motiv für das Plakat zu seiner Ausstellung genommen.

Roland Gräf stammt aus dem thüringischen Ort Meuselbach. Der Thüringer Landschaft, der Mentalität der Leute dort und dem dörflichen Leben fühlt er sich nach wie vor verbunden.

Der Regisseur, Drehbuchautor und Kameramann Gräf gehörte zu den wichtigsten Filmemachern der DEFA. Mit „Mein lieber Robinson“ gab er 1970 sein Regiedebüt.

Gelernt hat Roland Gräf ursprünglich Industriekaufmann. „Ich konnte den falschen Ansatz noch korrigieren“, sagt er, „das Abitur war mir wichtiger als die Gesellenprüfung.“ Er studierte an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Babelsberg, die in dem Jahr gerade eröffnet wurde, Kamera. Regie kam hinzu. Geschichten haben ihn genau so interessiert wie Bilder, sagt er.

Die Fotografien unter dem Thema „Bilder aus der Provinz“ sind derzeit im Industrie- und Filmmuseum zu sehen. Sie zeigen Landschaften, wie sie im Fläming vorkommen - nicht spektakulär, aber auch nicht langweilig. Gräf lenkt den Blick und schafft es, Interessantes in den Focus zu rücken, Neugier zu wecken. Der Fläming, eine Landschaft gleich um die Ecke - wer kennt die schon?

Eingefangen hat er auch ganz alltägliche Szenen, ein Dorffest dort, wo er den Sommer über wohnt, in Großmarzehns. Was so einfach aussieht, so zufällig - dahinter stehen viel Zeit und Geduld, Beobachtung und hier und da sicher auch ein glücklicher Moment. „Ich bin kein Fotograf, der durch die Welt fährt, um wichtige Motive zu suchen“, sagt er. „Ich fotografiere dort, wo es auf Anhieb nichts zu fotografieren gibt. Wo, wenn man Geduld und den Blick hat, es aber doch etwas zu fotografieren gibt.“

Roland Gräf geht es in seinen Bildern und inzwischen auch in seinem Leben sichtlich um Entschleunigung. Er sagt das so: „Ich mache den Trubel nicht mit.“ Eine der schönsten Arbeiten der Ausstellung übrigens ist das Porträt des Dorfschmiedes in seiner Werkstatt. Ein leises, behutsames, fast schon poetisches Bild. Auch das „Märkische Abendmahl“ verlässt die Gedankenwelt des Betrachters lange nicht. Ihn reize die Reduktion mehr als ausufernde Detailfülle oder Exotik, hat Gräf mal gesagt. Hier wird es deutlich.

Spuren und Strukturen spielen in Roland Gräfs fotografischer Arbeit ebenfalls eine Rolle. Ob die ihr Geheimnis preisgeben, das liegt auch an der Fantasie des Betrachters. Und genau das, sagt Gräf verschmitzt, ist so gewollt. Letztlich werden sie sich als etwas völlig anderes herausstellen, als sie ursprünglich zu sein scheinen. Echte Überraschungen.

Der Defa-Kameramann, Regisseur und Drehbuchautor Roland Gräf, einer, der zu den wohl wichtigsten - weil intelligenten, problembewussten und ehrlichen - Filmern der DDR gehörte, ist in diesem Herbst 80 Jahre alt geworden. Seine Filmlaufbahn endete mit der Wende. „Meine Generation ist abgewickelt worden“, sagt er. Das stellt er so fest - ohne Nostalgie und ohne Trauer, aber wohl mit einem Unterton in der Stimme, dass man keine weitere Diskussion darüber anstrengt. „Man musste kein Hellseher sein, dass es mit der Filmfabrik und der Defa vorbei sein wird.“ Er war 60. Und er hätte gern noch drei Filme gedreht.

Die Ausstellung jetzt, sagt Gräf, mache er „unheimlich gerne“. Vor 60 Jahren ist er das erste Mal in Wolfen bei der Agfa gewesen - als Student der Filmhochschule Babelsberg. „Der Kontakt hat angehalten.“ Und: „Es ist schön, dass hier nochmal meine Filmzeit und die Ehrung zu meinem 80. Geburtstag zusammentreffen.“

Den Film hat er stets als Dialogversuch über gesellschaftliche Fragen gesehen. Die Fotografien reihen sich da ein, ohne jedoch von sich aus diesen hohen Anspruch zu erheben. Aber sie verfolgen doch ein bestimmtes Ziel. In poetischer Weise sind sie Abbildungen „tiefer Provinz und womöglich trotzdem ein Blick auf die Welt“. (mz)

Gesichter können Geschichten erzählen. Was ist wohl ihre?
Gesichter können Geschichten erzählen. Was ist wohl ihre?
A. Kehrer Lizenz