Ringen Ringen: Nie den Kopf verlieren
zörbig/MZ. - An seine erste Reaktion kann sich Torsten Müller noch gut erinnern. "Ganz ehrlich, ich hab gedacht: Oh Gott, Ringen." Kerstin Müller ging es da nicht anders. "Ich habe mit vielem gerechnet", sagt die 42-Jährige, "aber wirklich nicht damit." Gut zwei Jahre ist das jetzt her und irgendetwas hat sich seitdem grundlegend verändert. "Wir sind", sagen die beiden Müllers heute unisono, "unheimlich stolz auf unseren Sohn."
Wrestling im Fernsehen
Wie stellt man sich einen Ringer vor? Vermutlich nicht so wie den 13-jährigen Sebastian Müller aus Rieda bei Zörbig. Knapp 1,73 Meter ist er groß, wiegt rund 60 Kilogramm. Doch ihn ihm schlägt das Herz eines Kämpfers. "Angefangen hat alles mit dem Wrestling." Als Sebastian das eine oder andere Mal das Show-Spektakel aus Amerika im Fernsehen verfolgte, packte es ihn. Und er seinen kleinen Bruder Maximilian daheim zum Ringkampf in den eigenen vier Wänden. An einen Wechsel zur Sportschule nach Halle, der er heute als talentierter Nachwuchsringer angehört, war jedoch noch nicht zu denken. Denn Sebastian spielte Fußball. Nicht mal unerfolgreich. Seit er vier war, kickte er beim Zörbiger FC, "alles außer Torhüter". Mit neun entdeckte man ihn für den DFB-Stützpunkt in Sandersdorf. "Er war schon immer sehr drahtig und sportlich", denkt Mutter Kerstin zurück. Der Weg zur Sportschule nach Halle war deswegen vorgezeichnet. "Ich wollte dahin", sagt Sebastian. Im Sommer 2010 war es soweit.
Täglich Training an der Sportschule
Bei den Einführungswoche in der Talentschmiede in Halle dauerte es dann nicht lange und Sebastian Müller war klar: Er wollte Ringer werden. "Sie haben uns die Techniken gezeigt, mir hat sofort gefallen, wie elegant, flink, filigran und spektakulär dieser Sport sein kann." Die Entscheidung war getroffen. Seitdem heißt es zweimal in der Woche früh von 7 bis 8.30 Uhr und jeden Nachmittag und Abend Ringertraining. Seit dem vergangenen August wohnt Sebastian Müller auch im Internat in Halle. Zehn Nachwuchsringer umfasst die Gruppe, gelernt wird der Freie Stil.
Unter anderem von Sebastian Otto. "Sebastian ist ein sehr gelehriger Schüler", sagt der 28-jährige Student über seinen Namensvetter. Von Anfang an betreut er das Nachwuchstalent und ist voll des Lobes. "Er ist fleißig, verliert auf der Matte nie den Kopf und hört zu, was man ihm sagt." Das war auch nötig, grinst Otto. "Es ist gar nicht so leicht, einen Fußballer zu einem richtigen Sportler zu erziehen."
Doch die Ausbildung fruchtete. Sogar recht schnell. Vom ersten Turnier in Bad Frankenhausen kehrte Sebastian Müller mit dem Siegerpokal zurück. "Mein Herz hat hoch geschlagen", gibt er zu. Doch das seiner Eltern und vor allem das des sportbegeisterten Opas Rolf aus Oppin sogar noch einen Tick mehr. "Er ist manchmal aufgeregter als ich", lächelt Sebastian. Die erste Medaille war so nicht nur ein Erfolg für den jungen Ringer, "sondern auch ein schönes Gefühl für uns alle", sagt Vater Torsten.
lDM-Bronze
Seitdem hat sich bereits einiges Edelmetall angesammelt. Doppelt Silber bei den Landesmeisterschaften, einmal Bronze, einmal Gold. Und zuletzt bei den Deutschen Titelkämpfen in Büdesheim sprang der dritte Platz heraus. "Der Lohn harter Arbeit, mit etwas Losglück in der Vorrunde wäre sogar mehr drin gewesen", schätzt Trainer Sebastian Otto ein. "Vor allem aber hat es viel Selbstvertrauen für die Zukunft gegeben."
Für die hat sich der junge Sebastian noch einiges vorgenommen. Im nächsten Jahr steht zunächst der Wechsel in eine andere Gewichtsklasse an, die großen Träume heißen Nationalmannschaft und Olympia 2020. "Doch dafür muss ich auf jeden Fall an meiner Gelenkigkeit arbeiten, ich bin oft noch zu steif", ist Sebastian selbstkritisch. Trainer Otto sieht zudem Nachholbedarf im physischen Bereich. "Da muss noch drauf gelegt werden." Entscheidend für Müllers Entwicklung ist wohl, ob es gelingt, in Halle wieder eine Ringermannschaft in den Ligabetrieb zu integrieren. Vor sieben Jahren wurde das Team abgemeldet, Otto und die anderen Verantwortlichen beim SV Halle arbeiten auf einen Neuanfang hin. "Es gibt Pläne dafür", bestätigt Otto, "es wäre doch super, wenn wir mit unseren jungen Talenten als Team antreten würden."
Spannende Zukunft
Bis es soweit ist, könnte auch Sebastian Müller - möglich ist das ab 14 Jahren - bei einer anderen Mannschaft untergebracht werden. Und so liegt eine spannende Zeit vor dem jungen Ringer. "Wir vermissen ihn zuhause", sagt Mutter Kerstin, "doch wir fiebern auch alle mit ihm mit."