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Regionalgeschichte Regionalgeschichte: Wer war Erna Dorn?

Von Jan Baumgart 11.09.2003, 16:24

Bitterfeld/MZ. - Ein Name steht im Raum, ein offizielles Gesicht gibt es auch. Doch ist die abgebildete Person tatsächlich Erna Dorn? Oder zeigt das Bild eine Frau, die statt ihr den Gang zum Schafott antreten und dort ihr Leben lassen musste?

Fragen, die André Gursky bewegen und über die er im Bitterfelder Metall-Labor referierte. Gursky ist Leiter der Gedenkstätte "Roter Ochse" in Halle und seit Jahren einem Mysterium auf der Spur. Denn vieles im Fall der Frau, die als willkommener Vorwand dafür diente, den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zum faschistischen Putsch zu machen, "stinke zum Himmel", so Gursky.

Eine Erna Dorn habe es im Hallenser Streikkomitee nie gegeben. Zeitzeugen, die sich an einen Auftritt, der kurz vorher aus der Haftanstalt Befreiten erinnern wollen, betonen, dass "dies ja in der Zeitung stand" oder machen unmögliche Angaben zum Zeitpunkt der Rede Erna Dorns auf dem Hallmarkt. So soll die "KZ-Aufseherin" dort bereits kurz nach 13 Uhr mit "faschistischen Hetztiraden" aufgetreten sein. Ein Streikkomitee bildete sich in der Saalestadt erst 14 Uhr, die großen Kundgebungen fanden noch später statt.

Erna Dorn war nach einer Selbstbezichtigung als Nazi- und Kriegsverbrecherin im Mai 1953 zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, sitzt nach Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) aber bereits seit 1949 ein. "Wegen Wirtschaftsdelikten", so Gursky. Paradox und verwirrend: Später gesteht sie sogar, für westliche Geheimdienste aktiv gewesen zu sein - ein Fakt, den Gursky nicht auszuschließen vermag. Auch die Tatsache, dass eine Erna Dorn im Hallenser "Roten Ochsen" als Zelleninformantin für das MfS arbeitete, ist in den Akten nachvollziehbar.

Doch ist alles so einfach? Ist Erna Dorn die zu Recht verurteilte KZ-Kommandantin oder hat sich eine geistig verwirrte Frau mit ihren Angaben um Kopf und Kragen geredet? Gursky glaubt, für diese Annahme Anhaltspunkte zu haben. Es war ein enger Personenkreis, der im Oktober 1953 mit dem Hinrichtungsakt zu tun hatte. Forschungen nach dem "verdienten Spanienkämpfer" und Ex-Dorn-Ehemann Max Gewald galten für den Suchdienst der Antifaschisten als Tabu.

Erstaunlich auch, dass Unterlagen eines Hochverratsprozesses vor Hitlers Volksgerichtshof in den MfS-Archiven verschwanden. Von den Nazis wurde damals eine Gruppe Widerstandskämpfer verurteilt. Ein einziges Mitglied der Gruppe bleibt "flüchtig": Max Gewald.

Ungereimtheiten, ja die Vermutung, dass "wohl viel mehr hinter der Sache stecke", macht Gursky auch an fehlenden Berichten über den Prozess gegen die angebliche Kriegsverbrecherin fest. Im Dresdener Bestattungsbuch ist vermerkt, dass Dorns Urne 1957 verlegt wurde. Zur gleichen Zeit kommt eine Hallenserin in der Bundesrepublik an. Ihr Name: Erna Dorn. "Ein Zufall?", fragt Gursky.