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Reformationsjubiläum Reformationsjubiläum: Auch Bitterfeld wappnet sich für das Lutherjahr 2017

12.11.2016, 13:00
Pfarrer Johannes Toaspern vor der Stadtkirche Bitterfeld.
Pfarrer Johannes Toaspern vor der Stadtkirche Bitterfeld. André Kehrer

Bitterfeld - 2017 ist ein ganz besonderes Jahr. Am 31. Oktober vor 500 Jahren hat Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg geschlagen - so sagt es zumindest die Legende.

Wie auch immer, das hat nicht nur die Kirche sondern das ganze Leben der Menschen umgekrempelt. Und das steht symbolisch für den Beginn der Reformation. Der Reformationstag hat dieses Jahr eröffnet. Mit Johannes Toaspern, evangelischer Pfarrer in Bitterfeld, sprach Christine Färber.

Warum ist uns der Reformator Martin Luther so wichtig?

Toaspern: Luther ist ein Synonym geworden für die Reformation. Er war als Figur eingebettet in einen großen Reformationsprozess - es gab schon vor Luther Bestrebungen, die Kirche zu erneuern.

Sicher wäre es auch ohne Luther gegangen. Aber wann? Und wie? Er war eine große, streitbare, selbstbewusste Persönlichkeit, die die Dinge auf den Punkt gebracht und vorangetrieben hat.

Sein Anliegen war es, die Kirche zu reformieren. Was ist alles daraus hervorgegangen!

Toaspern: Ja, das ist quasi auch eine Reformation der Gesellschaft geworden. Es war ein intellektueller Aufbruch. Nehmen wir allein die Bildung. Das wichtigste war für Luther: Jedermann, eben nicht nur der Klosterschüler sondern auch der Bauer, sollte imstande sein, die Bibel zu lesen.

Diese Bildung des Volkes ist ein ganz, ganz großes Verdienst der Reformation. Welch Zufall, dass das gerade mit der Erfindung der beweglichen Lettern und des Buchdrucks zusammenfiel.

Aber man muss auch sehen, dass die Reformation die Kirche gespalten hat, auch wenn das gar nicht Luthers Absicht war ...

Toaspern: Und darauf bin ich nicht stolz. Aber es ist nunmal so. Luther hat die Menschen, die seinen Ideen gefolgt sind, frei gemacht. Er forderte: Jeder solle Gott neu vertrauen. Das heißt, jeder ist frei in seinem Tun und vor Gott selbst verantwortlich.

Niemand schreibt ihm mehr vor, was er zu glauben hat. Und niemand ist da, der ihm die Verantwortung zum Handeln abnimmt - durch eine Vermittlung der Kirche etwa. Das war damals sehr befreiend, aber auch sehr schwer.

Was heißt das - aus unserer heutigen Sicht betrachtet?

Toaspern: Da sind wir beim Thema Verantwortung. Irrtum. Kompromiss. Freisein von Hörigkeit. Man kann - und sollte - Entwicklungen immer wieder hinterfragen. Nichts, was wir tun und denken, kann ausgenommen werden von einer kritischen Befragung.

Diese Haltung, Dinge immer wieder kritisch zu betrachten und vor allem dem Maßstab der Bibel gegenüberzustellen, ist eine, die in die Gesellschaft strahlt. Also: Selbstgerechtigkeit ist das Gegenteil von evangelisch - auch eben gegenüber anderen Kirchen.

Christ sein heißt auch gegen Gewalt jedweder Art zu sein. Nimmt man mal das Verhältnis Luthers zu den Juden... Da war es mit der Kompromissbereitschaft nicht sehr weit.

Toaspern: Das ist das schlimmste Kapitel! Aber natürlich hat auch ein Mann wie Luther wie jeder Mensch seine Grenzen gehabt. Judenhass war schon damals weit verbreitet.

Den Fünf-Mark-Schein der DDR, der hier abgebildet ist, schmückte das Porträt von Thomas Müntzer...

Toaspern: Ein Beispiel für die gesellschaftlichen Relevanz der Reformation: Die DDR, der man nicht nachsagen kann, ein religiöser Staat gewesen zu sein, ist nach meiner Kenntnis der einzige Staat der Welt, der einen hauptberuflichen evangelischen Pfarrer auf seinem Geldschein abgedruckt hat.

Thomas Müntzer, ein anfangs enger Weggefährte Luthers, der den reformatorischen Gedanken vom Leben allein im Gehorsam und in Abhängigkeit von Gott und sonst von niemandem anders - allerdings sehr radikal - in gesellschaftliches Engagement umgesetzt hat: Die Bauern bei ihrem Kampf gegen die ausbeuterischen Fürsten zu unterstützen.

Die Region Bitterfeld ist zwar kein Zentrum der Reformation. Trotzdem findet auch hier etwas statt. Auf was können sich die Leute hier vorbereiten und freuen?

Toaspern: Wir veranstalten zusammen mit der Stadt das Fest zur Reformation, nicht nur als Gemeindefest, sondern für die ganze Stadt. Dann beteiligen wir uns an vielem, was in Wittenberg stattfindet.

Es gibt Gemeindefahrten, Konfirmanden-Camps, regionale Kirchentage und den großen Kirchentag in Berlin vom 25. bis 28. Mai, der bis zu uns ausstrahlt. Außerdem liegen Bitterfeld und Mühlbeck am touristischen Lutherweg. Über den werden sich auch Leute in der Region einfinden. Also - es ist viel los für jedermann im Reformationsjahr. (mz)

Gundula Holz und Werner Breitkopf haben mit Unterstützung des Fördervereins der Stadtkirche Bitterfeld ein Buch erarbeitet: „Die Reformation und ihre Bedeutung für Bitterfeld“. Die Autoren beschreiben den Ablauf der Ereignisse in der Region. Sie befassen sich mit Luthers Mitstreitern in Bitterfeld, mit Pfarrern, Diakonen und Schulmeistern während der Reformation.

Kaufen kann man das Büchlein für fünf Euro im Kirchen-Gemeindebüro im Lutherhaus Bitterfeld.

Auf der 5-Mark-Banknote der DDR ist Thomas Müntzer abgebildet, der den reformatorischen Gedanken sehr radikal in gesellschaftliches Engagement umgesetzt hat.
Auf der 5-Mark-Banknote der DDR ist Thomas Müntzer abgebildet, der den reformatorischen Gedanken sehr radikal in gesellschaftliches Engagement umgesetzt hat.
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