Rathaus Bitterfeld-Wolfen Rathaus Bitterfeld-Wolfen: Einblicke ins einstige Heiligtum
WOLFEN/MZ. - Wer einen Blick hinter die Kulissen des einstigen Filmfabrikgebäudes mit der werksinternen Nummer 041 werfen wollte, der musste schon ein paar Schritte in Kauf nehmen. Ein Ehepaar blieb in einiger Entfernung vor dem Gebäude stehen. "So schön hatte ich es gar nicht in Erinnerung", schwärmte Elisabeth Rießland, die ebenso wie ihr Ehemann Frank von 1970 an in der Filmfabrik gearbeitet hat. "Früher fand ich es immer hässlich und grau von außen." Doch mit den
neuen Fenstern und der gereinigten Fassade sei es einfach wieder ein Schmuckstück und wert, dass es erhalten geblieben und einer neuen Nutzung zugeführt worden ist. Das hatte sich Frank Rießland, der bis 1997 im Haus tätig war, das bis dato Sitz der Wolfener Vermögensverwaltung war, immer gewünscht.
Was nach zwölf Jahren des Leerstandes unter der Regie der Eigentümerin, der Wohnungs- und Baugesellschaft Wolfen, entstand, wurde von den Besuchern, die schon um die Mittagszeit auf über 1 000 geschätzt wurden, durchweg positiv bewertet. "Obwohl wir 30 Jahre im Unternehmen tätig waren, haben wir den Rundbau, in dem die Kombinatsleitung und alle Direktoren gesessen haben, eigentlich kaum gekannt - bis auf die wissenschaftliche Bibliothek im Keller, in der immer die neueste Literatur zu haben war", setzte Frank Rießland, der in der Konstruktion tätig war, noch hinzu. Deshalb wolle man das Gebäude mal von oben bis unten genau in Augenschein nehmen.
Die Führungen durch das Gebäude, die von Mitarbeitern des Hauses den ganzen Tag über durchgeführt wurden, waren ständig ausgebucht. Und man konnte dabei auch einen Blick ins einstige "Heiligtum" werfen, in das Büro der Kombinatsdirektorin, das heute Sitz der Oberbürgermeisterin ist. "In diesen Gebäudekomplex bist du - bis auf die wissenschaftliche Bibliothek - nur gekommen, wenn du herbeordert worden bist." Und das, sprach ein Besucher aus Erfahrung, hatte meistens nichts Gutes zu bedeuten. "Bei mir", sagte der heute 76-Jährige, "war es die politische Einstellung - wie es damals hieß."
Heute ist das Haus offen für alle, die ein Anliegen haben. Den Pförtner im Eingangsbereich, der darüber zu befinden hatte, wer rein darf und wer nicht, gibt es nicht mehr. Dafür einen Empfangsbereich, der beim Ansturm Schwerstarbeit zu leisten hatte und immer dann etwas entlastet wurde, wenn zu einer neuen Führung durch das Haus geladen wurde.
Im Kellerbereich, in dem einst die wissenschaftliche Bibliothek untergebracht war, befindet sich heute das Stadtarchiv. Doch als die Gruppe von rund 20 Leuten im Licht durchfluteten runden Saal angekommen war, in dem ansonsten die Ratssitzungen stattfinden - er war zum Bistro umfunktioniert worden -, schauten sich zwei Männer ungläubig um. "Früher war das hier immer so dunkel", erinnerte sich der eine. Das komme ganz bestimmt daher, meinte sein Nebenmann, dass ringsherum bis an die Säulen alles verkleidet war. Dahinter befanden sich Büros. "Das wurde alles herausgerissen und so der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt", meinte Joachim Teichmann, Chef der Haupt- und Sozialverwaltung, während der Führung. Und er berichtete auch darüber, dass in den Jahren des Leerstandes vieles dem Vandalismus zum Opfer gefallen sei. Doch um wenigstens zwei Räume wieder im Original erstrahlen zu lassen, habe man beispielsweise auch aus seinem Zimmer die noch intakte Holzvertäfelung entfernt und im Dienstzimmer der Oberbürgermeisterin und im großen Konferenzraum eingesetzt. "Sieht der Kronleuchter nicht herrlich aus", schwärmte das Ehepaar Piechatzek. Obwohl Günter Piechatzek schon seit 1955 in der Filmfabrik tätig war, habe er diesen Raum, ebenso wie seine Ehefrau, noch nie gesehen. Zugang zu diesen heiligen Halle hätten nur die Führungskräfte gehabt, hieß es beim Rundgang. Die Glasteile dieses überdimensionalen Leuchters seien übrigens allesamt kaputt gewesen. "Die Restaurierung ist doch gelungen?", meinte Teichmann und erntete nur Zustimmung.