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Porsche, Plüschtier und Trabi-Kombi

Von SYLVIA CZAJKA UND LOTHAR GENS 30.06.2010, 15:20

BITTERFELD/KÖTHEN/MZ. - "Das Taschengeld hat nicht gereicht", erinnert sich Andreas Allgäuer. Fünf D-Mark pro Monat gab's für den damals achtjährigen Knaben von seinen Eltern, erzählt der Mühlbecker. "Für mich hieß es sparen", weiß der heute 28-Jährige noch. Denn das Objekt der Begierde hatte vier Räder, war rot und teurer als ein Fünfer: ein Porsche nämlich. Natürlich im Miniformat. Die Matchbox-Variante. Allgäuer Junior stand mit großen Augen im KaDeWe in Berlin vor einer riesigen Wand, auf der wohl Tausende dieser Flitzer einen Platz hatten, weiß er noch.

Es wurde für ihn eine Qual der Wahl. Doch er wollte den Porsche unbedingt haben. "Natürlich besitze ich das Matchbox-Auto heute noch", erzählt Allgäuer. Mittlerweile hatte der Student die Möglichkeit, im Porsche mitzufahren. "Das war schon ganz toll." Das Streben, ein solches Gefährt sein Eigen zu nennen, hatte er eigentlich nie. Die Miniaturausgabe ist jedenfalls bezahlt, formuliert Andreas Allgäuer nicht ohne Stolz.

Sparsam gingen auch Eva und Rolf Höbold mit ihrem ersten "Westgeld" um. Eine Fahrt zum Nürnberger Christkindlmarkt war ihr großer Traum. Und den erfüllte sich das Ehepaar gemeinsam - nur eben ein paar Monate später. "Wir haben damals alles zu uns genommen, was heute eine Selbstverständlichkeit ist", weiß Eva Höbold.

"Die Westmark war für mich etwas ganz Besonderes", sagt sie. "In der DDR hatte ich das Gefühl, es reicht, was du hast, in der BRD musst du das Geld zusammenhalten."

Andreas Czaja aus Burgkemnitz erstand in Berlin im World of Music das legendäre U2-Album "The Joshua Tree" aus dem Jahr 1987. "Dieses Album gehört auch heute noch, trotz Kratzgeräuschen der Nadel auf dem Vinyl, zu meinen musikalischen Favoriten."

Christa Kuckei freute sich, mit dem Geld auf Reisen zu gehen. Nicht, um die Welt zu sehen, sondern ihre Schwägerin in Düsseldorf zu besuchen. 14 Tage machten sie dort Urlaub ganz in Familie. Eine Zeit, die der Frau aus Wolfen unvergessen bleiben wird.

Den Wunsch, den sich Ursula Zeidler und ihre Familie erfüllten, leuchtete in Taubenblau. "Wir haben uns einen Polo gekauft." Das Geld dafür hatten die Gossaer bereits zurückgelegt. Denn die Lieferung eines Trabant Kombi stand kurz bevor, berichtet sie. "Wir wären endlich dran gewesen." Doch dann kam die Wende. "Glück gehabt. Der Polo hat uns gleich gefallen." Der musste natürlich auch mal bewegt werden. Und so fuhren die Zeidlers gleich nach Dänemark in den Urlaub.

Mit den ersten westlichen Zahlungsmitteln in der Tasche und der ganzen Familie nach Berlin gefahren ist Regina Werner aus Gröbern. In Berlin vor 20 Jahren war man vor allem einkaufen: vorrangig Süßigkeiten und Plüschtiere für Töchterchen Verena, das mittlerweile 30 Jahre alt ist.

Ganz genau erinnern an die Währungsunion kann sich noch Albrecht Röder. Denn er hatte da Hochzeitstag und ist abends mit seiner Frau Ingrid aufgebrochen, um sich Wien anzuschauen. Am Abend sind Röders in Köthen losgefahren, waren frühmorgens in Wien, haben sich dort umgesehen, sind abends aufgebrochen in die Heimat und waren um Mitternacht wieder in Köthen. "Es war eine anstrengende Reise, aber sie war schön", sagt Albrecht Röder über die Busfahrt. Und er weiß sogar noch, was sie gekostet hat: 100 D-Mark pro Nase. "Wir waren mit der ersten D-Mark in Mallorca", erinnert sich die Köthenerin Viola Stagat. Frau Stagat hatte sich dort mit ihrem Mann Ralf einen richtig schönen Urlaub gegönnt.

"Es war damals eine aufregende Zeit", weiß Annette Werndl aus Köthen noch heute. "Damals haben wir unsere erste West-Reise organisiert." Die Familie ist dann für ein paar Tage in Richtung Weser-Ems-Land gefahren und hat dort unter anderem Bekannte besucht, von denen sie zu DDR-Zeiten des öfteren Besuch bekommen hatte. "Aber aufregender war es damals hier vor Ort", bekennt Annette Werndl.