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Was läuft schief? Öko-Gefährte setzen Staub an - Kaum Interesse an Lastenfahrrädern in Bitterfeld-Wolfen

Von Frank Czerwonn 22.08.2021, 09:15
Vom Rathaus in Wolfen wurden die Lastenräder durch die Kooperationspartner aus den Ortsteilen an ihre festen Standorte zur Ausleihe gebracht.
Vom Rathaus in Wolfen wurden die Lastenräder durch die Kooperationspartner aus den Ortsteilen an ihre festen Standorte zur Ausleihe gebracht. (Foto: André Kehrer)

Wolfen/MZ - Nach vielen Mühen hat Bitterfeld-Wolfen Ende Juni fünf Lastenfahrräder an fünf Standorten zur Nutzung übergeben. Sie sollen ein kleiner Beitrag für eine grünere Stadt und gegen den Klimawandel sein. Doch geht die Rechnung auf? Finden sich Interessenten, damit die Räder häufig zum Einsatz kommen und Auto oder Moped ersetzen? Obwohl die Ausleihe unkompliziert, kostenfrei und zeitlich flexibel ist, ist die Bilanz ernüchternd. Statt auf den Wegen zu rollen, werden die Lastenräder zu Staubfängern.

Mehrgenerationenhaus hat die Räder noch nicht einmal verliehen

Im Mehrgenerationenhaus mit seinen zahlreichen Vereinen und Besuchern sah man einen vielversprechenden Standort. Doch Leiterin Birgit Wessel erklärt: „Das hat sich bislang nicht bestätigt.“ Sie habe eine einzige Anfrage gehabt, aber kein einziges Mal das Rad ausgeliehen. „Eine Frau wollte es für einen Ausflug mit ihrem gehbehinderten Hund nutzen.“ Doch da die Transportbox einen festen Deckel habe, sei diese Nutzung nicht möglich gewesen. Die Idee von Christian Hennicke, Chef der Ratsfraktion SPD-Bündnisgrüne-FDP und „Erfinder“ der Lastenräder-Aktion, den Deckel abzuschrauben, lehnte sie ab. „Das macht man zweimal, dann hält der nicht mehr.“

Wessel glaubt, dass so ein Angebot kontinuierlich beworben werden muss. Das MGH nutze dafür den Newsletter und die Homepage. „Auf die 5.000 Programmflyer für September werden wir es wohl auch drucken.“ Doch wichtig sei, dass man die Räder in Aktion sehe. „Vielleicht schicken wir unseren Bufti mal damit durch die Stadt oder parken es auf dem Markt mit einem Erklärplakat.“

Das Wasserzentrum vis a vis der Goitzsche müsste doch ein guter Startpunkt für eine Tour mit dem Lastenrad sein. „Theoretisch schon“, sagt Melanie Kerz, Quartiersmanagerin der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg). Doch dafür müsse man diese Möglichkeit besser bewerben. „Bis jetzt hatten wir jedenfalls keine Ausleihe.“ Eine einzige Anfrage habe es nach dem Tag der Übergabe gegeben. „Aber da war unser Rad noch nicht hier eingetroffen.“ Man wolle auf der Webseite stärker trommeln. Auch beim kürzlichen Treffen der Quartiersmanager von Sachsen-Anhalt im Mehrgenerationenhaus habe man das Projekt vorgestellt. „Und beim Fest zu 60+1 Jahre Wolfen-Nord ebenfalls.“ Der Erfolg steht aus.

Rad Nummer drei - mit Namen „Wolle“ - steht an der alten Grundschule von Bobbau. Ortsbürgermeister Matthias Berger (CDU) will das Vehikel zugleich als rollenden Werbebotschafter für die Landesgartenschau 2027. Doch dazu muss „Wolle“ rollen - was er nicht tut. „Wir hatten nach der Veröffentlichung in der Zeitung einen Anruf einer Tagestouristin, die wollte an der Goitzsche radeln.“ Er habe sie an einen Standort verwiesen, der näher am See liegt. „Seitdem gab es keine Anfragen bei uns.“ Auch Berger sieht nur einen Ausweg: „Wir brauchen mehr Werbung.“

Im Camping- und Ferienpark Goitzsche weist ein großes Plakat auf die Räder hin

Die ist an der Rezeption im Camping- und Ferienpark Goitzsche nicht zu übersehen. Ein Plakat informiert über die Lastenrad-Ausleihe. „Das sieht man sofort“, meint Mitarbeiterin Silke Klimczak. Und das zeigt Wirkung. „Wir vermieten das Rad ab und zu.“ Manche Besucher würden damit um die Goitzsche fahren, andere zum Strand oder zum Einkaufen. Meistens würden Männer das Gefährt lenken. „Es ist anfangs ungewohnt. Das Rad bewegt sich ganz anders. Und an den großen Wendekreis muss man sich gewöhnen“, meint Klimczak. „Aber nach paar Runden geht es.“ Fünf, sechs Mal hatte man das Rad ausgeliehen - heißt also in den acht Wochen höchstens einmal pro Woche.

Das letzte Lastenrad betreut der BUND in Holzweißig. Für umweltbewusste Nutzer dürfte er der perfekte Ansprechpartner sein. „Zweimal haben es Leute für eine Radtour ausgeliehen“, sagt Sprecherin Carol Höger. Etwa sechs Mal nutzte es der BUND: zum Beispiel um bei Aktionen mit Kindern die Verpflegung zu transportieren. „Auch für Praktikanten ohne Auto ist es sinnvoll.“