1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Nach Vetro-Solar-Pleite: Nach Vetro-Solar-Pleite: Sandersdorf-Brehna drohen Millionen-Verluste

Nach Vetro-Solar-Pleite Nach Vetro-Solar-Pleite: Sandersdorf-Brehna drohen Millionen-Verluste

Von Stefan Schröter 18.07.2017, 09:28
Interessent gesucht: Nach dem Aus von Vetro Solar sucht die Stadt ein Unternehmen für den Standort.
Interessent gesucht: Nach dem Aus von Vetro Solar sucht die Stadt ein Unternehmen für den Standort. Archiv/Kehrer

Sandersdorf - Die Stadt Sandersdorf-Brehna sucht weiterhin einen Interessenten für die leere Vetro-Solar-Halle an der B 183. Dort hat das insolvente Solarglas-Unternehmen Anfang des Jahres die Produktion eingestellt. Insolvenzverwalter Henning Schorisch ließ mittlerweile die Inneneinrichtung versteigern.

Rückstände lagen schon vor der Pleite bei zwei Millionen Euro

Mit dem Geld sollen Gläubiger bedient werden. Zu denen gehört vor allem die Stadt Sandersdorf-Brehna. Sie pochte in den vergangenen Jahren oft vergeblich auf vereinbarte Mietzahlungen. Die Rückstände lagen vor der Vetro-Insolvenz bei mehr als zwei Millionen Euro (die MZ berichtete).

Dass Vetro Solar Mieter und die Stadt Sandersdorf-Brehna Vermieter war, rührt aus einem Mietkaufvertrag, den beide Parteien vor sieben Jahren abschlossen. Dadurch gab die Kommune dem Unternehmen Starthilfe und baute ihm mit Krediten für zwölf Millionen Euro die Produktionshalle auf. Vetro Solar sollte das Geld über Mieten schrittweise zurückzahlen und nach fünf Jahren die komplette Halle abkaufen – für sieben Millionen Euro. Dazu ist es nie gekommen.

Für die Halle gibt es drei Interessenten

Die Stadt Sandersdorf-Brehna versucht nun für sich, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Die Verwaltung redet aktuell mit drei Interessenten für das leere Gebäude, sagt sie. Doch die Situation ist kompliziert. Ein Investor muss mit der Vetro-Halle zurechtkommen, muss sie wollen. Auf der anderen Seite der B 183 warten im Solar Valley indes ebenfalls Zehntausende Quadratmeter leerer Hallenflächen auf neue Mieter.

Immerhin: Der Stadt Sandersdorf-Brehna gehört die Solaranlage auf dem Vetro-Solar-Dach der Halle. Dadurch fließt jährlich Geld in die Stadtkasse. 2012 waren es laut Haushaltsplan rund 400 000 Euro. Die Stadtverwaltung lässt über ihre Sprecherin verlauten: „Die Einspeisevergütung deckt den Schaden, der der Stadt wegen nicht-akquirierter Einnahmen der insolventen Vetro Solar GmbH entstanden ist.“

Kommune macht keine Angaben über ihre Gläubigerforderungen

Wie hoch die Gläubigerforderungen der Kommune sind, ist unklar. Alle Seiten halten sich bedeckt. „Hierzu können wir Ihnen keine Auskunft geben, da es sich dabei um Verfahrensinterna handelt“, sagt eine Sprecherin des Insolvenzverwalters Henning Schorisch.

Bei Vetro Solar hat sich auch das Land Sachsen-Anhalt mit mehreren Millionen Euro beteiligt - über die IBG Risikokapitalfonds II GmbH und Co. KG. Wie viel Geld hier futsch ist, ist unklar. Es dürften aber Millionen sein. Bereits 2013 betrugen die IBG-Forderungen vier Millionen Euro gegenüber Vetro Solar.

Nach der Insolvenz erklärt das Verwaltungsunternehmen der IBG-Fonds jetzt: „Wir, beziehungsweise die von uns gemanagten IBG-Fonds als Risikokapitalgeber, verlieren damit ein Investment, welches ursprünglich ein großes Erfolgspotenzial hatte.“ Die IBG-Fonds sind durch Mittel des Landes Sachsen-Anhalt und der EU finanzierte Venture Capital Fonds. Sie investieren in kleine und mittlere, innovative Technologieunternehmen mit Sitz im Land Sachsen-Anhalt, heißt es.

Verlorene Summen dürften jenseits der Zehn-Millionen-Marke liegen

Addiert man alle verlorenen Summen, kommt man auf einen Betrag jenseits der Zehn-Millionen-Euro-Marke. Ein Betrag, von dem vieles beim Steuerzahler hängen bleiben dürfte, nachdem das Geschäft der Norweger in Sandersdorf-Brehna gegen die Wand gefahren ist.

Was für eine Wendung: Am Anfang winkte in Sandersdorf-Brehna das große Geld. Auch aus Magdeburg kamen positive Signale zur Einschätzung der Vetro-Solar-Ansiedlung. Die Investitions- und Marketinggesellschaft des Landes (IMG) machte der Stadt Sandersdorf-Brehna im Jahr 2009 Mut, dem Solarglasunternehmen eine neue Produktionshalle hinzustellen - ein bis dahin einmaliger Vorgang in Sachsen-Anhalt.

Selbst im Falle einer Vetro-Pleite sah die IMG erfolgversprechende Vermarktungschancen für Produktionshallen im Solar Valley. Bisher hat sich diese Prognose nicht bewahrheitet. Die von Vetro Solar einst angepeilten 400 Arbeitsplätze kamen nie. Es war nur ein Zehntel davon. 2012 gingen Q-Cells und Sovello Pleite. 2016 folgte Vetro Solar. Kritisch äußerte sich anfangs vor allem der Bund der Steuerzahler. Er sah ein Risiko für den Steuerzahler. Doch dessen Warnungen verhallten.

Vetro Solar war von Anfang an eine Zitterpartie

Vetro Solar war von Anfang an eine Zitterpartie. Das Unternehmen schaffte es nie in die schwarzen Zahlen. Die Mieten von der GmbH kamen unregelmäßig oder gar nicht. Letztlich stellten Unternehmensmitarbeiter Insolvenzantrag. Das war der Anfang vom Ende.

Am Arbeitsgericht Dessau-Roßlau liefen in den Jahren 2014 und 2015 drei Verfahren, bei denen sich Mitarbeiter Vetro-Solar-Löhne einklagen wollten. „Die Zahlungsanträge beliefen sich auf 11 267 Euro, 410 Euro sowie 554 Euro“, berichtet eine Gerichtssprecherin. Die Verfahren seien durch Vergleiche und Klagerücknahme erledigt worden.

Die Stadt Sandersdorf-Brehna war da gnädiger. Sie stundete regelmäßig Mietforderungen. Sie hoffte auf ein positives Ende bei der Vetro-Zitterpartie. Ihr blieb auch wenig Wahl, nachdem sie mit der Produktionshalle ein Risiko eingegangen ist. Der Vetro-Bankrott kam dennoch.

(mz)