Museum Schloß Delitzsch Museum Schloß Delitzsch: Pestwurz und Knochensäge
Delitzsch/MZ. - Der Titel verursacht einen leichten Schauder: "Von Pestwurz und Knochensäge" heißt eine neue Sonderausstellung im Museum Schloß Delitzsch. Und prompt assoziiert er Erinnerungen an alte Abbildungen und eben jene erschröcklichen Kenntnisse, die man so hat vom Mittelalter. Wer damals ernsthaft krank wurde, hatte wirklich Pech. Und doch: Museumsdirektor Manfred Wilde will mit dieser Schau eigentlich etwas anderes vermitteln: "Medizinische Behandlung war keine beabsichtigte Menschenquälerei, auch wenn es so aussieht."
Seit 1995 recherchiert der promovierte Historiker für ein Buch über Hexenprozesse in Kursachsen. "Und in diesem Zusammenhang", sagt er, "bin ich auf die alte Heilkunst gestoßen." Und weil ihn das faszinierte, recherchierte er zunächst für ein anderes Buch, das bereits im Münchener Verlag Dr. C. Müller-Straten unter dem Titel "Alte Heilkunst - Sozialgeschichte der Medizinalbehandlung in Mitteldeutschland" erschien. Und auf dieser sehr umfangreichen wissenschaftlichen Arbeit basiert auch die Ausstellung. Verbündete für sein Vorhaben fand er im Karl-Sudhoff-Institut der Universität Leipzig. Von dort kamen wertvolle Leihgaben, die das Anliegen der Exposition auf das Beste unterstützen und die Fragen nach den Ursprüngen der heutigen Medizin transparent machen.
Die Ausstellung ist übersichtlich gegliedert von eben diesen Ursprüngen bis hin zu den Anfängen der Schulmedizin. Wachsvotive machen den Anfang - Dokumente eines verbreiteten Glaubens, mit der Nachbildung schmerzender Körperteile aus Wachs auch die Krankheit auf die Nachbildung übertragen zu können. "Die Votive", so Wilde, "wurden heimlich in der Nähe des Kirchenaltars abgelegt oder in der Erde vergraben." Dies wurde im Verlauf des 16. Jahrhunderts als Aberglaube verboten. Das alles gehört zum Schwerpunkt Kräuter und Magie, andere beschäftigten sich mit Hebammen und Wehmüttern, dem Baden und Schröpfen, mit Apotheken und Rezepturen, dem Schwarzen Tod, mit Barbieren und Chirurgen, den gelehrten Ärzten oder Lazaretten und Hospitälern.
Auf Tafeln kann - und das ist richtig spannend - nachgelesen werden, warum Hebammen zum Beispiel dieses durften und Gelehrte jenes nicht, oder dass Apotheken nach 1700 vom Gesetzesgeber gefordert wurden. Die Fülle von Erzähltem wird bereichert durch zahlreiche Objekte und Inszenierungen. Da ist zum Beispiel der unheimlich wirkende Leichenkarren samt Pestarzt, der eine Vogelschnabelmaske trägt. "In ihr befanden sich Kräuter", erläutert Wilde, "die verhindern sollten, dass der Pestbazillus eingeatmet wurde."
Doch am Erstaunlichsten sind ganz sicher die Leihgaben des Sudhoff-Institutes. Mit erstaunlicher Präzision zumeist im 18. Jahrhundert aus Messing angefertigt, zeigen sie, mit welch medizinischem Werkzeug man damals den Menschen helfen wollte. Neben einem Aderlassbesteck mit vier Lasseisen aus dem 17. Jahrhundert, Schröpfbesteck und Schröpflampe auch ein Triploid. Seine Hebel und der Habichtsschnabel dienten dazu, bei Schädelbrüchen den eingedrückten Teil wieder anzuheben und so (vielleicht) eine Heilung herbeizuführen. Und trotzdem: Ein leichtes Gruseln bleibt. Und der tiefe Stoßseufzer, glücklicherweise ein paar hundert Jahre später auf die Welt gekommen zu sein.
Die Ausstellung ist bis 3. März 2002 zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag und Sonntag von 10 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr.