1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Lange Bierbrautradition : Lange Bierbrautradition : Wo sind Jeßnitz' Brausterne?

Lange Bierbrautradition  Lange Bierbrautradition : Wo sind Jeßnitz' Brausterne?

Von ULF ROSTALSKY 21.12.2015, 11:48
Helmut Ernst ist Heimatforscher mit ganzem Herzen. Aber von in seiner Heimatstadt vergebenen Brau-Sternen hat er noch nie gehört.
Helmut Ernst ist Heimatforscher mit ganzem Herzen. Aber von in seiner Heimatstadt vergebenen Brau-Sternen hat er noch nie gehört. André kehrer Lizenz

JESSNITZ - Gerstensaft selbst herstellen: Das dürfte der Traum eines jeden Biertrinkers sein. Schließlich sichert die Eigenproduktion den direkten und unumschränkten Zugang zum Bier. Nur: So einfach ist das nicht. Heute nicht und auch vor Jahrhunderten nicht. Das Brauen muss angezeigt sein. Die Steuer wird fällig.

„Bierbrauen war auch früher in Privileg“, erzählt der Jeßnitzer Ortsbürgermeister Helmut Ernst (parteilos). Der Hobbyhistoriker kennt sich aus in seiner Stadt. Eine Frage wirft ihn jedoch aus der Bahn: Wo sind die Brausterne, mit denen in früherer Zeit demonstrativ das Recht des Bierbrauens dokumentiert worden war?

„Brausterne? Ganz ehrlich: Davon habe ich noch nichts gehört.“ Die Neugier packt Helmut Ernst, als er Bilder einiger Sterne in den Händen hält. In Gräfenhainichen zum Beispiel sind ein paar von ihnen immer noch vor Gehöften in der Innenstadt zu finden. Sie zeigen an, dass hier Bier gebraut werden durfte. So zumindest erklären die jetzigen Hausbesitzer den durchaus ungewöhnlichen Schmuck vor ihren Häusern. Dass manche darin einfach nur Dekoration zu erkennen glauben, stört sie nicht.

Fest steht, dass Brau- oder Biersterne in ganz Deutschland vom Brauprivileg erzählten. Vor allen Dingen im Süden Deutschlands tauchen sie heute noch auf. Sie finden sich in Logos von Brauereien oder sind an Braugaststätten angebracht.

„Sehr interessant. Bei uns habe ich so etwas noch nicht gesehen“, sagt Helmut Ernst und sucht nach Erklärungen. Gut möglich, sinniert er, dass die Stadt Jeßnitz einfach zu klein gewesen ist. „Da musste vielleicht niemand sein Braurecht extra anzeigen. Die Leute habe es einfach gewusst.“ Der Jeßnitzer Hobbyhistoriker will die Sternengeschichte nicht aus den Augen verlieren. Er werde auf die Suche nach den verschwundenen Sternen gehen, sagt Helmut Ernst.

In Sachen Heimatgeschichte ist der Jeßnitzer ein wahres Energiebündel. Auch mit der Braukunst und der Gastlichkeit in seinem Heimatort hat er sich schon beschäftigt. „Das gute Bier gehörte einst zu Jeßnitz“, ist Helmut Ernst überzeugt. Er hat die Kopie der mehr als 300 Jahre alten Brauordnung zur Hand. Der damalige Fürst Leopold I. hatte immerhin 49 Jeßnitzer Bürgern das Braurecht zugestanden. „49 von etwa 1.000 Einwohnern. Das war schon eine große Zahl“, ist der Geschichtsfreund sicher.

Er hat außerdem in Erfahrung gebracht, dass nicht jeder der Brauberechtigen eine eigene Braupfanne besaß. „Die Kirche hat die Pfannen für acht Groschen verliehen. Das war ein einträgliches Geschäft für sie.“ Dann legte die Brauerschaft nach und kauft selbst eine Pfanne.

Bier gehörte zur Stadt an der Mulde, wo der meiste Gerstensaft ab 1810 im großen Brauhaus nahe der Leopoldbrücke hergestellt worden war. Das letzte Bier aus der Brauerei der Gebrüder Wittig gab es 1920. „Danach war Schluss. In Jeßnitz wurde später nur noch Limonade hergestellt“, erzählt Helmut Erst. Noch einmal schaut er auf die Fotos der vermeintlichen Brausterne aus Gräfenhainichen. Etwas Skepsis bleibt. Denn es braucht einige Fantasie, um in den Exemplaren aus der Heidestadt tatsächlich Abwandlungen des eigentlich sechseckigen Brausterns zu erkennen. Fest steht jedoch, dass in einem der Gräfenhainicher Gehöfte heute noch Bier gebraut wird: Zum Eigenverbrauch. Und ordentlich angemeldet. (mz)

Bier wurde in Jeßnitz schon immer gebraut.
Bier wurde in Jeßnitz schon immer gebraut.
Andre Kehrer Lizenz