Kulturhaus in Bitterfeld Kulturhaus in Bitterfeld: Theater "Liberi" experimentiert mit Musical-Märchen

WOlfen/MZ - Das Mädchen ist mutig, klug und selbstbewusst. Es kontert die Schelte der Stiefmutter und die derben Späße der Stiefschwester. Dennoch ist von heiler Welt keine Spur. „Ich fühl’ mich elend und ich weiß auch warum“, singt es mit ganzer Kraft. „Aber was soll ich machen?“ Aschenputtel ist ratlos und die Stiefmutter böse wie eh und je. „Du bist nur die Magd. Ich habe dich nicht mal lieb.“
Alles ist wie immer. Aschenputtel lebt nach dem Tod der Eltern ein trauriges Leben. Es muss putzen, kochen, waschen. Muss all das tun, was niemand sonst machen möchte. Die Rollen sind auch in der Musical-Variante des Theaters Liberi klar verteilt. Dennoch liefert das Ensemble aus Bochum alles andere als Durchschnittsware. Das klassische Märchen ist aufgepeppt und leicht verändert. Das merken die Zuschauer beim Gastspiel im Wolfener Kulturhaus schnell.
Alles ist frei interpretiert
Dabei geht es nicht einmal um das eher spärliche Bühnenbild, das durchaus Fantasie befördert und die Konzentration auf Handlung und Sänger erhöht. Das Theater hat experimentiert. Zwar setzt es bei seinem „Aschenputtel“ ganz klassisch auf ein bedauernswertes Mädchen (Jana Flaccus) und eine Stiefmutter (Karen Lauenstein). Auch einen Prinzen (Markus Hanse) gibt es. Der spielt allerdings ebenso einen Stoffhändler, während Karen Lauenstein zusätzlich zur Waldfee wird. Die in der Liberi-Version einzige Stiefschwester (Carina Böhmer) ist zudem des Prinzen Freund Oskar. Alles ist frei interpretiert. Dennoch nimmt die Handlung den gewohnten Lauf.
Licht aus, Vorhang auf! Philipp Markwald ist zum ersten Mal in einem Musical. Der Vierjährige ist gespannt und weiß von seiner Schwester Laura, was zu tun und zu lassen ist. Geklatscht wird, wenn es gefällt. Im Musical für Kinder darf aber auch herzhaft gelacht und mitgefiebert werden. Der Prinz will nicht heiraten, kündigt das Ende der Vorstellung an, bevor sie richtig Fahrt aufgenommen hat. „Nein.“ Die Wolfener und auch Philipp wollen sich nicht abspeisen lassen mit dem schnellen Ende.
Dass der Prinz keine Hochzeit feiern möchte, steht fest. „Ich haue schon mal ab.“ Die klare Sprache kommt an. Zumal die junge Hoheit doch noch bleibt im Mini-Zauberwald, in dem auch Aschenputtel regelmäßig Abstand vom grauen Alltag nimmt. Beide flitzen über die Bühne, verschwinden hinter Bäumen, suchen sich. Alles ist in bester Ordnung. Nur auf den großen Ball darf das junge Mädchen nicht. Klar. Sie ist die Magd und die Einladung vom König nur für die Stiefmutter und deren Tochter gemacht.
Nichts ist neu
Nichts ist neu. Die Tauben helfen Aschenputtel beim so sinnlosen Sortieren der Linsen. Zugegeben geschieht dies alles als Schattenspiel. Doch das ist nicht so wichtig. Denn bei aller Kreativität können auch die Leute vom Theater „Liberi“ nicht anders. Der Prinz wird schließlich seine Meinung ändern und heiraten: allerdings nicht die Stieftochter und auch kein anderes junges Mädchen aus dem Königreich. Aschenputtel wird zur Braut. So einfach ist die Märchenwelt.
Applaus und reichlich Neugier nach gut anderthalb Stunden Spannung auf der Bühne. Doch Schluss ist da noch nicht. Die Darsteller stehen dem Publikum Rede und Antwort. Poster sind gefragt. Aschenputtel im pinkfarbenen Kleid. „Schön.“ Laura Markwald hat ein Exemplar ergattert. Der Clou: Sämtliche Liedtexte des Musicals finden sich auf der Rückseite.

