1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Kirchengemeinden Bitterfeld, Sandersdorf-Brehna und Wolfen bilden nun gemeinsamen Pfarrbereich

Vielfalt in neuer Einheit Kirchengemeinden Bitterfeld, Sandersdorf-Brehna und Wolfen bilden nun gemeinsamen Pfarrbereich

Doch wie kann bisher Getrenntes zusammenwachsen?

Von Frank Czerwonn 28.08.2021, 12:00
Anna Mittermayer und Martin Kabitzsch sind das neue Pfarrer-Duo. Die Wahl fand in der Bitterfelder Stadtkirche statt.
Anna Mittermayer und Martin Kabitzsch sind das neue Pfarrer-Duo. Die Wahl fand in der Bitterfelder Stadtkirche statt. (Foto: Frank Czerwonn)

Bitterfeld/MZ - Die evangelische Kirche in Teilen des Altkreises Bitterfeld stellt sich neu auf. Denn die Entwicklung mit sinkenden Mitgliederzahlen, fehlenden Gottesdienstbesuchern und daraus folgenden ökonomischen Zwängen macht vor den hiesigen Protestanten keinen Halt.

Und so sind die bisherigen Pfarrbereiche beziehungsweise Kirchspiele Bitterfeld, Sandersdorf-Brehna und Wolfen zu einem großen Pfarrbereich Bitterfeld-Wolfen-Sandersdorf-Brehna vereint worden. Für viele Gemeindemitglieder ein schwerer Schritt - verbunden mit Wehmut, Verlust, aber auch mit neuen Chancen und Hoffnungen. Denn auch an der Spitze gab es eine gravierende Änderung: Aus drei Pfarrstellen wurden zwei.

Evangelische Kirche in Sandersdorf
Evangelische Kirche in Sandersdorf
(Foto: Kehrer)

Verabschiedung des Bitterfelder Pfarrers Johannes Toaspern in den Ruhestand im September 2020 war der letzte Anlass zum Handeln

Die nötigen Veränderungen hatten sich abgezeichnet. Die Verabschiedung des Bitterfelder Pfarrers Johannes Toaspern in den Ruhestand im September 2020 war der letzte Anlass zum Handeln, denn damit fiel die Pfarrstelle weg. Zwei Denkmodelle standen zur Wahl: Neuaufteilung der Gemeinden auf nur zwei Pfarrbereiche oder Bildung einer großen Pfarrregion.

In Diskussionen mit Gemeindekirchenräten und Beratenden aus dem Kirchenkreis entschied man sich schließlich für den gemeinsamen Kirchenkreis. Der reicht nun von Brehna bis Mühlbeck und von Steinfurth bis Petersroda und zählt acht Gemeindekirchenräte. Diese immer einzubeziehen und unter einen Hut zu bekommen, dürfte herausfordernd werden.

„Eine Grenze mit geteilten Zuständigkeiten zu ziehen, erschien uns wenig sinnvoll“

„Aber wir wollten bestehende Strukturen, die gut funktionieren, nicht auseinanderreißen“, sagt die Sandersdorfer Pfarrerin Anna Mittermayer. „Eine Grenze mit geteilten Zuständigkeiten zu ziehen, erschien uns wenig sinnvoll“, ergänzt ihr Wolfener Kollege Martin Kabitzsch. Die beiden sind das zuständige Pfarrer-Duo für den Pfarrbereich - nach Wahl durch die Gemeinden.

Kirche St. Johannes Wolfen
Kirche St. Johannes Wolfen
(Foto: Kehrer)

Die Mitglieder kennen sie seit Jahren als Pfarrer in der Entsendung, einer Art Probezeit. Die in Schwerin geborene Mittermayer kam im August 2016 als Pfarrerin nach Sandersdorf-Brehna, der aus einem Dorf bei Eilenburg stammende Kabitzsch bereits im Oktober 2014 ins Kirchspiel Wolfen. Beide kandidierten im Juni in ihrem jeweiligen Bereich gegen eine Mit-Bewerberin.

Die Wahlausschüsse entschieden sich bei der Wahl in der Bitterfelder Stadtkirche für Mittermayer und Kabitzsch - mit 34 beziehungsweise 39 Jahren ein vergleichsweise junges Regio-Team, das nun das Vertrauen rechtfertigen und die neue Struktur mit Leben erfüllen will. Am 14. September werden beide um 14 Uhr in der Stadtkirche Bitterfeld offiziell in ihre Ämter eingeführt.

„In Bitterfeld sagen manche: Jetzt haben wir keinen Pfarrer mehr.“

„Natürlich trauern viele Gemeindemitglieder der früheren Struktur nach“, weiß Kabitzsch. „In Bitterfeld sagen manche: Jetzt haben wir keinen Pfarrer mehr.“ Doch das stimme ja nicht. „Ich antworte: Jetzt sind gleich zwei Pfarrer für euch zuständig.“ Die Zeiten, in denen jeder Ort seinen Pfarrer hatte, sind lange vorbei. Sandersdorf-Brehna hat seit zehn Jahren einen Gemeindeverbund, im Kirchspiel Wolfen war es ähnlich. Und so mancher nehme die neuen Gegebenheiten bereits an, sei neugierig auf die anderen Gemeinden. „Da tauchen in den Gottesdiensten Besucher aus anderen Orten auf“, erzählt Kabitzsch. „Die sagen mir: Wenn wir nicht damit beginnen, wer denn dann?“

Mittermayer weiß, dass jeder Ort, jede Gemeinde ihre Eigenheiten haben. „Es geht darum, diese Individualität zu erhalten und trotzdem zusammenzuwachsen. Die Verschiedenheit kann inspirierend sein.“ Die Sommerkirche, die jeden Sonntag in einem anderen Ort stattfindet, biete beste Chancen. „Überall gibt es da noch ein zusätzliches Angebot und man kann andere Kirchen und Menschen kennenlernen.“ Das kommt an. „Die Besucherzahlen sind höher als sonst in den Sonntagsgottesdiensten“, weiß Mittermayer.

Offen sein für Neues - das ist das dynamische Pfarrer-Duo auf jeden Fall

Sie und Kabitzsch stehen auch für ein moderneres Pfarrerbild. „Wir haben beide Familie und kleine Kinder, die Partner haben ihre jeweiligen Berufe.“ All das ändere auch den Umgang mit und das Verhältnis zu den Gemeinden. „Diese können und müssen selbstständiger sein und haben die Kompetenzen dafür.“ Die Gemeindemitglieder hätten ihren Glauben und könnten eine Andacht auch ohne den Hauptamtlichen feiern. Mittermayer und Kabitzsch sehen sich eher als Anleiter und Netzwerker.

Stadtkirche Bitterfeld
Stadtkirche Bitterfeld
(Foto: Kehrer)

„Ich bin ein Freund von Ausprobieren“, sagt Kabitzsch. Er wolle Menschen die Angst davor nehmen. „Was soll denn schiefgehen? Wir haben Gott an unserer Seite.“ Offen sein für Neues - das ist das dynamische Duo auf jeden Fall. „Wer sagt denn, was man in der Kirche machen kann und was nicht“, fragt Kabitzsch. Wichtig sei, darüber zu reden.

Die Kirchen in Bitterfeld, Brehna, Roitzsch und Sandersdorf böten sich an für große Veranstaltungen

Seit wenigen Wochen gibt es nun eine Art Regionalbeirat mit zwei, drei Mitgliedern aus jedem Gemeindekirchenrat. Dort sollen Dinge, die für alle wichtig sind, besprochen werden. Zudem wolle man Angebote, beispielsweise der Kinder- und Jugendarbeit, breit streuen. Viele Menschen seien es gewohnt, einige Kilometer zu fahren.

Die Kirchen in Bitterfeld, Brehna, Roitzsch und Sandersdorf böten sich an für große Veranstaltungen. Geplant ist, einmal im Monat einen Regionalgottesdienst zu veranstalten. Auch die Friedensdekade im November soll sich inhaltlich auf die gesamte Region beziehen. Viel Neues soll entstehen. So die monatliche Reihe für junge Leute ab 18, die im September unter dem Motto „Brause, Bier und Bitterfeld“ startet.