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Kennenlernen durch abgerissenen Knopf

Von Antonie Städter 09.05.2006, 17:31

Sandersdorf/MZ. - Das Rezept? "Wir haben dieselben Gedanken und machen alles zusammen." Sie kennt sich beim Schach aus, das er heute noch aktiv spielt, beide malen mit Hingabe Landschaftsbilder, in den 50er Jahren hatten sie eine Seidenraupenzucht, später sammelten sie Heilkräuter.

Und der Fußball, der verbindet sie, seitdem sie sich kennen. "Wenn Sandersdorf, Greppin oder Bitterfeld gespielt haben, dann sind wir mit dem Fahrrad sonst wohin gefahren, um das zu sehen", sagt sie. "Es passt einfach", sind die Verwandten sich sicher. Viele von ihnen - sogar seine Schwester Ingrid aus dem spanischen Malaga - brachten dem Paar am Dienstag Glückwünsche und Blumen. Auch Landrat Uwe Schulze und der Bürgermeister von Sandersdorf, Wolfgang Thiel, kamen in die Glück-Auf-Siedlung, um zu gratulieren.

Es war die Silvesternacht 1933, als sich die beiden zum ersten Mal in Sanderdorf trafen. Zwei Frauen hatten - mit Erfolg - versucht, den 18-jährigen Helmut betrunken zu machen, beim Tanz riss ihm ein Knopf von der Arbeitsuniform. Das Dienstmädchen in der Küche, die 15-jährige Gertrud, nähte ihn ihm an. Einen Tag später trafen sie sich zufällig wieder, wurden Freunde und verliebten sich ineinander. Sie sei eine gute Partie gewesen, schmunzelt der 90-jährige Jubilar, schließlich verdiente sie in der Woche drei Mark - er im Arbeitsdienst nur 1,75 Mark. Wenn es ins Kino ging, habe sie ihm heimlich die 25 Pfennig Eintrittsgeld zugesteckt.

Eine Mündigkeitserklärung vom Obervormundschaftsgericht machte es möglich, dass das Paar - sie im fünften Monat mit dem ersten von drei Kindern schwanger - am 9. Mai 1936 heiraten konnte. Männer durften dies normalerweise nämlich erst mit 21. Es folgten schwierige Zeiten: Er wurde eingezogen, der Krieg verhinderte über sieben Jahre lang ein Wiedersehen.

Am ersten Friedenstag, dem 9. Mai 1945, vergaßen sie vor lauter Freude, dass dies auch ihr neunter Hochzeitstag war. In diesen Zeiten des Hungers holte Helmut Karl, der später als Lokführer arbeitete, seiner "Trude" zum Geburtstag Kartoffeln vom Feld, dann gab es ein Festessen: "Pellkartoffeln mit Salz", ihr größter Wunsch damals. Heute sagt er: "Ich würde sie auf der Stelle noch einmal heiraten".