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Kampf gegen Großhändler mit stumpfen Waffen

Von Susann Huster 10.01.2006, 18:16

Jeßnitz/MZ. - Paul Lehmann war immer Fleischer aus Leidenschaft. Doch das hat sich in jüngster Zeit peu á peu abgeschwächt.

Die erdrückende Konkurrenz der Großmärkte und generell das "unheimliche Überangebot" an Wurst-und Fleischanbietern machen dem Fleischermeister aus Jeßnitz das Leben nicht gerade leicht. Jeder Tag am Markt bedeutet für den 58-Jährigen, jeden Tag aufs Neue zu kämpfen - ums Überleben, um den Erhalt der Arbeitsplätze seiner Leute und um den Fortbestand seines Berufsstandes. Sein Betrieb besteht seit 35 Jahren. Anlass für Lehmann, den Blick zurück schweifen zu lassen. Dabei hat er aber stets auch die Zukunft seiner kleinen Firma im Auge.

Alles begann am 1. Januar 1971, als er sein erstes Fleischereigeschäft in Wolfen mit zwei Angestellten eröffnete. Damals war Lehmann 23 Jahre alt und damit der jüngste selbstständige Fleischermeister der ganzen Region. Zuvor hatte der zielstrebige junge Metzger seinen Meister gemacht - damals wie heute eine wichtige Voraussetzung für die Eröffnung eines eigenen Ladens.

Vier Jahre später zog es Lehmann in seine Heimatstadt Jeßnitz zurück, wo seine Eltern einst ein Fleischereigeschäft besaßen, das allerdings lange leer gestanden hatte. Nun versuchte er sich in den Räumen der elterlichen Fleischerei. Zu DDR-Zeiten liefen die Geschäfte gut. "Vor dem Laden standen Schlangen. Ich hätte dreimal so viel verkaufen können wie ich produzieren konnte", erinnert sich Lehmann an damals. Mit dem Erfolg wuchs die Zahl seiner Angestellten auf zehn an.

Dann kam die Wende und mit ihr die Marktwirtschaft, die Lehmanns Leben und auch das seiner Fleischer-Kollegen gründlich umkrempeln sollte. In den ersten fünf Jahren waren die Geschäfte einträglich. Lehmann legte sich zwei Verkaufsautos zu, in denen er seine Produkte auf Märkten anbot und hatte obendrein noch eine Filiale in Wolfen. Doch dann wurde die Konkurrenz immer größer.

"Anfangs waren zwei Fleischer auf den Märkten, heute sind es acht bis zehn", berichtet Lehmann. Hinzu kommen die Discounter, die das Fleisch teilweise billiger verkauften als er es einkaufe. "Das ist nur ein Verstreuen der Ware. Wir kämpfen mit stumpfen Waffen dagegen an", bringt er das Problem der privaten Fleischermeister auf den Punkt.

In große existenzielle Probleme brachte ihn das Jahrhunderthochwasser im August 2002. In beiden Läden stand das Wasser weit über einen Meter hoch und zerstörte nahezu alles, was im Laufe der Jahre aufgebaut war. Gemeinsam mit seiner Frau, die ihm in schwierigen Zeiten immer wieder Mut machte, baute er alles wieder auf. Doch ein bitterer Nachgeschmack bleibt: "Wir haben uns davon nicht mehr richtig erholt", sagt Lehmann.

Trotz der schwierigen Zeiten richtet er seinen Blick nach vorn, in die Zukunft. Und dazu gehört auch der Nachwuchs für seinen Berufsstand. Seit elf Jahren ist Lehmann als Bitterfelder Innungsobermeister unter anderem für die Lehrlingsausbildung mitverantwortlich. Gerade die bereitet dem erfahrenen Fleischermeister, der selbst zwei Azubis hat, großes Kopfzerbrechen. Wie er können die meisten seiner Kollegen die jungen Fachkräfte nach ihrer Ausbildung nicht übernehmen. Deshalb wanderten viele von ihnen in Richtung Westen ab. Der Rest stehe auf der Straße. "Das tut weh", gesteht Lehmann. Auch deshalb blickt er mit einer gewissen Portion Skepsis in die Zukunft. "Ich kann mir kein Bild davon machen, wie das in den nächsten Jahren weitergehen soll."