Jürgen von der Lippe Jürgen von der Lippe: Kein «Piertzing» für Rocker Kalle
Bitterfeld/MZ. - Wissen Sie, wie ein Eisbär klingt, der Asthma hat? Nein? Nun, Jürgen von der Lippe hat es im Bitterfelder Kulturpalast zelebriert und wird es morgen Abend, in seiner dritten hiesigen Vorstellung, wiederholen. Und gewarnt sei: Es klingt schauderhaft.
Und vielleicht wird so manch männlicher Gast auch diesmal rote Ohren bekommen, denn die Geräusche und Töne des asthmatischen Eisbären gleichen denen des männliches Orgasmus. Sagt Lippe und beweist es eindringlich, lange und überzeugend. Und hat somit Meg Ryan, die in "Harry und Sally" mit dem weiblichen Part überzeugte, sozusagen die männliche Nuance zur Seite gestellt. Und dass die so ganz anders ist, eben gar nicht so weiblich schön, lässt schier verzweifeln: "Puh, was hat sich Gott nur dabei gedacht..."
Nun, das weiß man nicht. Aber was sich das Publikum dachte, war eindeutig: Es lachte so begeistert, dass offensichtlich etwas Wahres dran sein musste an Lippes Interpretation. Wie er immer - ob nun recht derb oder seltener zart - das kleine Körnchen Wahrheit traf, das in allen Dingen steckt und somit den berühmten Effekt des Sich-Wiederkennens erfolgreich provozierte. Auch wenn das manchmal recht hart unter der Gürtellinie vorbeiratschte - Lippe lächelte dann so nett und so wissend und so verbündlerisch - was sollte das Publikum anderes tun als ihn lieben?
Und da folgte es dem studierten Germanisten und Philosophen auch bereitwillig zu Lieblingen wie Kant und Konfuzius und ließ sich aufklären über die Maxime des Willens und die Kausalitätskette - wurde doch alles wieder so schön auf den Boden der greifbaren Tatsachen gebracht: Etwas passiert, und das hat eine Wirkung. Und die schildert Lippe genüsslich, und das Publikum weiß schon gar nicht mehr, worüber es zuerst lachen soll, so dass besorgt-freundlich nachfragt wird: "Bei welchem Scherz sind Sie gerade angelangt?"
Doch zu gut sollte es denen im ausverkauften Saal auch nicht gehen - mit dem Singen eines Zungenbrechers über die Saunafreunde 09 wurden harte Anforderungen an die Vergnügungssüchtigen gestellt. Diejenigen, die tapfer mithielten, werden heute kaum sprechen können.
Zu den Höhepunkten des Abends gehörte zweifellos der Auftritt des lispelnden, langmähnigen und schlicht gestrickten Rockers Kalle, der um nichts in der Welt ein "Piertzing" verpasst haben will und überzeugend die Gründe schildert. Eine schöne schauspielerische Leistung. Und dazu gehören die Parodie auf Maffay, Grönemeyer. Niedecken und Lindenberg und so manch sprachlicher Einfall: Pink Purple oder Häuptling fließendes kaltes und warmes Wasser - Lippes musikalischer Begleiter Mario Hené. Darauf muss man erst mal kommen.