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Helmholtz Zentrum für Umweltforschung Helmholtz Zentrum für Umweltforschung: Schönheit aus der Goitzsche

Von christine krüger 17.09.2014, 08:53
Creme
Creme MZ Lizenz

bitterfeld - Schönheit aus der Goitzsche? Man glaubt es nicht. Und doch: Friederike Fellmer hat die Formel dafür. Die Chemikerin, die in einer Salbenmanufaktur in Leipzig arbeitet, hat das Rezept für eine Creme entwickelt, deren Grundstoff aus dem Goitzschesee kommt. Den heißen Tipp dafür hat sie von Andreas Zehnsdorf und seinem Team. Die Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig haben eine Verwendung für die ungeliebte Wasserpflanze Elodea gesucht. Und gefunden.

Die Werbefotos sind geschossen, die Tests sind tipptopp gelaufen, die Erlaubnis zur Herstellung der Creme ist erteilt - es kann also losgehen mit Elodea.

Zehndsorf zieht die Stirn in Falten. Es ist schon lange losgegangen mit Elodea. Doch haben will sie, bei Lichte besehen, eigentlich niemand. Denn hier handelt es sich um die herkömmliche Wasserpest, eine Pflanze, die reichlich auch im Goitzschesee wächst. Bis zu acht Meter hoch und in guten Jahren noch höher. Solch ein gutes Jahr übrigens ist 2014 glücklicherweise nicht gewesen.

„Vorreiter des sinnvollen Nutzens“

Wohin also mit den Milliarden Stängeln, die den Leuten, die mit Naherholung und Wassersport zu tun haben, eine Plage ist? „Wenn schon so viel davon wächst, dann muss man das wenigstens sinnvoll nutzen“, sagt Zehnsdorf. Und das tun sie, die „Vorreiter des sinnvollen Nutzens“, wie der Professor seine UFZ-Mannschaft fröhlich nennt. Nicht nur als Dünger aufs Feld oder als Masse in die Biogasanlagen kommt Elodea. In ihr steckt mehr als bloßer Bio-Abfall. Jetzt also ist sie auf dem Sprung in die Badezimmer und Handtaschen. Und das Produkt soll ausgebaut werden.

„Gut ist bei einer Verwertung immer, wenn man beim Hochpreissegment anfängt“, meint Zehnsdorf augenzwinkend. „Das funktioniert gut in Pharmazie und Kosmetik. Das Interesse der Pharmazie dürfte sich allerdings in Grenzen halten, denn die Pflanze bietet für sie kaum begehrenswerte Inhaltsstoffe.“

Ganz anders die Kosmetik. „Eine super Idee“, meint Friederike Fellmer dazu. Die Wissenschaftlerin sagt: „Was neues zu machen, ist immer spannend. Und das hat mir, ehrlich gesagt, auch einiges abverlangt. Denn das ist ein Rohstoff, mit dem ich noch nicht gearbeitet habe. Aber ich fand die Idee so toll, sonst hätte ich das nicht mitgetragen.“ Die Wasserpflanze sei deshalb so interessant für die Kosmetik, erklärt sie, weil ihre Zellen gut in der Lage sind Chlorophyll, Sauerstoff und Wasser zu speichern.

Jetzt ist die Creme Elodea also fertig. Und damit nicht genug. Denn schön herausgeputzt ist sie auch. Immerhin: Die Verpackung ist so klasse, dass sie vergangenes Jahr mit einem Design-Preis in Wien bedacht worden ist. Gerade ist sie im „Stilwerk“ in Berlin zu sehen.

In die Creme kommt nur das Beste

In den Regalen der einschlägigen Geschäfte steht die Creme allerdings noch nicht. Denn gerade erst wird das Vertriebsnetz aufgebaut. Dass das Geschäft mit der Schönheit aus der Goitzsche aber läuft, das bezweifeln indes weder die Leute der Wissenschaft noch die Frau der Praxis. Denn in die Creme kommt nur das Beste.

Das Chlorophyll in der Creme wirkt antibakteriell, entgiftend und steigert die Widerstandsfähigkeit der Zellen. Die Vitamine C und E hemmen freie Radikale. Letzteres wird auch als Anti-Aging-Vitamin bezeichnet. 40 Probanden wurden getestet, die Kombination der Inhaltsstoffe der Creme optimiert, so dass zu 100 Prozent feststeht, dass sie weder Rötungen noch Reizungen der Haut hervorruft.

Für die Creme pflücken Taucher die Spitzen der Pflanze. Doch die Masse der Wasserpest wird mit Booten geerntet. Die Kosten für Mahd und Entkrautung sind enorm. Nach Hochrechnungen fallen Gesamtkosten von rund 100 Millionen Euro pro Jahr allein für Fließgewässer in Deutschland an.

Deshalb laufen unter anderem beim UFZ Forschungen, wie die Biomasse vom Bioabfall zum Rohstoff werden kann. „Es besteht ein erheblicher auch ökonomischer Druck. Denn das Erntegut wird heute in der Regel ohne eine weitere Nutzung entsorgt“, so Zehnsdorf.

Taucher pflücken per Hand von der Wasserpflanze in der Goitzsche nur die zarten Spitzen. Natürlich nicht in Größenordnungen von Tonnen. Obwohl die Wasserpflanze durchaus reichlich vorkommt. 2004 zum Beispiel hat das UFZ sage und schreibe 26 000 Tonnen Elodea im Tagebausee ermittelt. Seit der ersten Flut sind sie dabei und erforschen, wie sich die Wasserpest in der Goitzsche verbreitet. Und das tut sie je nach den Witterungsbedingungen mit mehr oder weniger Erfolg.

In manchen Jahren eben sogar so, dass die Phosphor mobilisierende Pflanze überhand nimmt, damit das Wasser so sehr düngt, dass letztlich sämtliche Wasserpflanzen nur so wuchern. „Das kann zur Störung des ökologischen Gleichgewichts führen“, sagt der Professor, „dagegen hilft letztlich nur, die Pflanze zu ernten - wie übrigens jetzt gerade in vielen Seen im Ruhrgebiet.“ (mz)