Der Klang der Versöhnung Gossaer Kirchenglocke verstummte wegen Nazi-Symbolik - Welche Lösung nun gefunden wurde
Weil eine Glocke aus dem Jahr 1934 mit Nazi-Symbolik versehen war, schwieg sie auf Beschluss der Gossaer Gemeinde. Ein Guss soll jetzt zum Neubeginn werden.

Gossa/MZ - Die Bronze ist 1.070 Grad heiß. Langsam fließt sie in eine Gussform. Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde Gossa sprechen ein Gebet. Pfarrer Albrecht Henning stimmt das Lied „Großer Gott wir loben Dich“ an. Es ist viel Symbolik und ein Moment des Neubeginns.
In der Glockengießerei Bachert in Neunkirchen bei Heidelberg entstehen zwei Glocken für die Christophoruskirche in Gossa. Sie sollen zusammen mit einer auf das Entstehungsjahr 1321 datierten Glocke den Dreiklang im Gotteshaus wieder möglich machen. Die große der beiden neuen Glocken ersetzt zudem das stählerne Exemplar, das in der Heide Mitte der 1930er Jahre aufgehängt worden war - als Ersatz für eine 1917 für Kriegszwecke eingeschmolzene Glocke. Problematisch: Sie ist mit reichlich NS-Symbolik verziert und gehört damit zum „klingenden Erbe “ einer Zeit, die mit Leid und Elend, mit Verbrechen und Vernichtung verbunden war.

Verbotene Symbole
Nazi-Symbolik ist jedoch verboten. In der Evangelischen Landeskirche Mitteldeutschlands wurde es deshalb unruhig, als ein Saarländer wegen der Verwendung der Symbole Anzeige erstattete. Glocken, die der Gossaer vergleichbar sind, gibt es einige. Aber wie damit umgehen? Die Frage spaltet Gemeinden. Auch die Gossaer. Dort hatte der Gemeindekirchenrat Anfang April 2019 beschlossen, die betroffene Glocke für immer schweigen zu lassen. Und dann? Nichts tun?
In Gossa entschied man sich für den Neubeginn. Die Glocke von 1934 soll durch eine neue, die Versöhnungsglocke, ersetzt werden. Ihr Guss ist gelungen. Sie hat einen Durchmesser von einem Meter, ist 450 Kilogramm schwer und unter anderem mit dem Wort Schalom, hebräisch für Frieden, verziert.

Dreiklang ab nächstem Jahr
Viel Geld muss die Kirchengemeinde für den Neubeginn aufbringen. Gut 15.000 Euro kostet die Versöhnungsglocke, das Geld für die Sanierung des Glockenstuhls ist nicht einmal eingerechnet. Anders als bei vorherigen Arbeiten an der Gossaer Kirche wird diesmal auf eine zentrale Spendenaktion verzichtet. „Das Projekt ist in unserer Gemeinde wahrlich nicht unumstritten“, sagt Pfarrer Albrecht Henning. Gossas Ortsbürgermeisterin Angelika Dietrich (parteilos) gehört zu den Kritikern. „Hat bisher niemanden gestört. Da müsste man ja manches Geschichtsbuch umschreiben.“ Auch Waldemar Dombek vom ortsansässigen Mühlenteam ist skeptisch. Zumal man die Symbole im Glockenturm ja gar nicht so leicht sehen könne.
Froh über den gelungenen Guss der Glocke ist Albrecht Henning dennoch. Fertig ist nun auch die kleinere Glocke. Sie ist auf Ton G gestimmt, wiegt 160 Kilogramm und misst 65 Zentimeter im Durchmesser. Kosten wird die Christophorusglocke 10.000 Euro. Die Aufwendungen für die Versöhnungsglocke hinzugerechnet, muss die Gemeinde 25.000 Euro aufbringen. Von der Landeskirche wurden 7.500 Euro Unterstützung zugesagt. „Wir freuen uns deshalb natürlich über jede Hilfe“, erklärt Albrecht Henning. Und wartet auf den Moment im nächsten Jahr, wenn der Glockendreiklang erstmals zu hören sein soll. Ein Hochgenuss - ganz abgesehen von der Vorgeschichte.
