Geophysik in Muldenstein Geophysik in Muldenstein: Neue Messstation erfasst Erdbeben

Muldenstein - Das Seismometer sieht unscheinbar aus. Auf dem Kellerboden des Midewa-Hochbehälters erfasst es einsam die Aktivitäten in der Erdkruste unter ihm. Die rund 12.000 Euro teure Erdbeben-Messstation sendet Geophysikern seit kurzem aber wichtige Daten: „Wir wollen damit die Gefährdung in der Region besser einschätzen und dabei auch Erdstöße erkennen, die nicht zu spüren sind“, erklärt Ivo Rappsilber. So lieferte laut dem Geophysiker vom Landesamt für Geologie und Bergwesen die Muldensteiner Messstation bereits während ihrer Testphase Erkenntnisse zu einem Erdbeben der Stärke 0,9, das Ende September bei Eilenburg auftrat.
Vor allem die Vogtland-Region sowie der Bereich Gera und Zeitz stehen im Fokus der mitteldeutschen Geophysiker, wo es jährlich mehrere schwächere Erschütterungen gibt. Das Gebiet liegt auf einer Störungslinie zwischen Leipzig und Regensburg. Doch die Geophysiker müssen laut Rappsilber auch den Bereich Halle/Leipzig stärker im Blick behalten: „Das Erdbeben bei Gröbers mit einer Stärke von 3,2 auf der Richterskala hat uns im April verdeutlicht, dass sich die Störungslinie noch weiter nach Norden erstreckt, als wir bisher angenommen haben.“ Deswegen sei zur besseren Überwachung dort jetzt die Messstation in Muldenstein hinzugekommen.
Überregionale Überwachung
Gemeinsam mit den bestehenden seismologischen Stationen auf der Neuenburg bei Freyburg (Burgenlandkreis) und in Wimmelburg bei Eisleben (Mansfeld-Südharz) ist sie in ein Netz aus vielen Messstellen im mitteldeutschen Raum integriert. In diesem „Seismologie-Verbund“ bündeln Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gemeinsam mit den Universitäten in Leipzig, Freiberg und Jena ihre Aktivitäten zur Erdbebenüberwachung.
Zwar sind die auftretenden Erschütterungen in Mitteldeutschland häufig kaum spürbar, aber: „Wo viele schwächere Erdbeben auftreten, kann es auch mal ein stärkeres geben“, erklärt Rappsilber. Das stelle höhere Ansprüche an neue größere Gebäude. „Es geht um erdbebensicheres Bauen. Das betrifft hier in der Region aber nicht den Häuslebauer, sondern Objekte ab fünf Stockwerken.“ Dies habe auch Auswirkungen auf die Baukosten. Inwiefern künftig auch in der Region rund um Halle derartige Naturerscheinungen bei Neubauten berücksichtigt werden müssen, ist aber noch unklar.
Zuverlässige Informationen über das seismische Geschehen in der Erdkruste sind laut dem Landesamt für Geologie und Bergwesen in den hochindustrialisierten Regionen Mitteldeutschlands auch generell wichtig. Zwar sei die Wahrscheinlichkeit von Beben gering, aber technische Anlagen mit hohem Gefährdungspotenzial erfordern einen hohen Sicherheitsstandard.
Warum der Standort des Seismometers nicht ideal ist, lesen Sie auf Seite 2.
Kein idealer Standort in der Region
Bevor die Messstation in Betrieb ging, testeten die Wissenschaftler die Eignung des Standorts. „Es ist nicht so, dass man einfach ein Gerät hinstellt, anschaltet und dann geht's los“, erklärt Rappsilber. Vielmehr gebe es lange Testphasen an verschiedenen Orten. „Dabei haben sich zwei Standorte herauskristallisiert.“ Neben dem Hochbehälter kam zeitweise auch der Solarpark am Muldensteiner Berg in Frage. „Aber da waren die Störsignale zu groß.“
Allerdings hat auch der jetzt gewählte Standort Nachteile im Vergleich zu anderen Messpunkten. Rappsilber: „Es gibt in der Region keinen idealen Standort, dafür ist sie zu stark besiedelt.“ An anderen Orten wie in Collm in Nordsachsen herrsche dagegen absolute Stille. Zumal sich das Seismometer dort tief in einem eigens geschaffenen Stollen befinde. „Für so etwas wären in Muldenstein aber die Investitionskosten zu hoch“, sagt Rappsilber. Beeinträchtigend komme hinzu, dass am Fuße des Bergs eine Zugtrasse vorbeiführt. „Wir hoffen, dass dort kein Zug entlangfährt, wenn es ein Erdbeben gibt“, sagt der Geophysiker, wenngleich die Einflüsse marginal seien.
Wichtig ist, dass die Messstation in Muldenstein an festes Gestein angebunden ist, um aussagekräftige Ergebnisse liefern zu können. Das ist der Fall. „Im Bitterfelder Braunkohlegebiet liegt zwar viel Lochgestein über dem Festgesteinsuntergrund, aber in Muldenstein kommt der Porphyr heraus. Mit einem dortigen Fels ist der Keller des Midewa-Gebäudes verbunden und damit auch das Seismometer des Landesamtes.“
Über eine Mobilfunkantenne erfolgt aus der Ferne die Kommunikation mit der Stationstechnik im Inneren des Midewa-Gebäudes. Auf diesem Weg werden die Daten ständig abgefragt. Sie stehen sofort zur Ortung von Erdbebenherden und zur weiteren Auswertung zur Verfügung.
Die Erdbebenaufzeichnung und -ereignisse in Mitteldeutschland im Internet: linap6.geo.uni-leipzig.de
