Geldmangel in Raguhn-Jeßnitz Geldmangel in Raguhn-Jeßnitz: Warum die Stadt ohne Haushalt plant

Raguhn-Jeßnitz - Ausnahmezustand in Raguhn-Jeßnitz. Die Stadtverwaltung arbeitet in diesem Jahr weiterhin ohne Haushaltssatzung und Bürgermeister Bernd Marbach (parteilos) schwebt sogar vor, bis Jahresende komplett darauf zu verzichten. Stattdessen soll zeitnah am Etat für 2019 gearbeitet werden. Der Stadtrat soll im Juni darüber abstimmen.
Neues Sparkonzept muss her
Nach Angaben von Bernd Marbach werden die Haushaltslöcher immer größer. Die zwei bisher letzten dicken Kröten, die die Kommune schlucken musste, waren die Tariferhöhung im öffentlichen Dienst und ein gesunkener Zuschuss vom Land – wegen des Bevölkerungsrückgangs. Dadurch ist der erst 2017 erarbeitete Sparplan schon wieder hinfällig.
Denn der einzusparende Geldberg wuchs um weitere 500.000 Euro. Also muss ein neues Sparkonzept her, damit die Stadt zumindest im Jahr 2022 voraussichtlich wieder die schwarze Null erreicht. Das sei die Bedingung für einen neuen Haushaltsplan. Aber das kostet Zeit. Laut Marbach könnte der Haushalt frühestens im September verabschiedet werden. Investitionen seien auf dieser Grundlage erst ab November möglich.
Die Schuld für die Haushalts-Misere sieht der Bürgermeister auch in Fehlern aus der Vergangenheit. Marbach zweifelt die Zahlen alter Haushaltspläne an. Sein Vorgänger präsentierte 2016 noch einen ausgeglichen Haushaltsplan. „Damals muss irgendwas falsch gelaufen sein“, meint der jetzige Bürgermeister.
Er kritisiert ausgebliebene Einnahmen bei Straßenausbaubeiträgen, Gewässerverbänden oder auch Regenwassergebühren. Berger räumt das ein, sagt aber auf MZ-Nachfrage, dass das größtenteils an fehlenden Satzungs- und Software-Aktualisierungen lag. „In den Jahren meiner Amtszeit wurde nichts schöngerechnet.“ Marbach sieht sich derzeit mit minus 1,3 Millionen Euro im Haushaltsentwurf konfrontiert.
Die Konsequenzen: Geld ausgeben wird zum Luxus
Bleibt die Stadt 2018 ohne Haushalt, wird Geld ausgeben noch mehr zum Luxus in Raguhn-Jeßnitz. Die Ortsbürgermeister müssen sich ganz von ihren Ortsgeldern (Brauchtumsmitteln) verabschieden. Nils Naumann aus Thurland muss jetzt überlegen, wo er beispielsweise rund 600 Euro für die jährliche Seniorenweihnachtsfeier auftreibt. Der Ortsbürgermeister hofft, dass er Sponsoren gewinnen kann. „Das wird nicht einfach.“ Außerdem fehlen ihm rund 150 Euro für Blumensträuße und Präsente, die Jubilare im Ort erhalten. „Bis jetzt bin ich in Vorkasse gegangen. Zur Not muss ich etwas aus eigener Tasche zahlen“, fürchtet der Ehrenamtler.
Ohne Haushalt müssen zudem alle Ausgaben ab 500 Euro über den Tisch des Bürgermeisters. Die Regelung ist ähnlich streng wie bei einer Haushaltssperre, sie wird über das Kommunalgesetz legitimiert. Vorläufige Haushaltsführung heißt das Prozedere. Notwendige und unaufschiebbare Aufwendungen können dadurch realisiert werden. Dazu zählt Bernd Marbach zum Beispiel Vorhaben, die weitgehend über Fördermittel finanziert werden, zum Beispiel die Bahnhofstraße in Jeßnitz (Fluthilfe-Geld). Viele andere Investitionen würden 2018 aber gestrichen. Zum Beispiel der Abriss der Nebengebäude an der Raguhner Begegnungsstätte. Auch die Sanierung der Straße Am Weinberg liegt damit weiter auf Eis.
Bürgermeister Marbach: „Wir sind nicht insolvent.“
Laut Marbach arbeitet die Stadt Raguhn-Jeßnitz jetzt an einer Prioritäten-Liste für alle Maßnahmen und wie sie bis 2022 abgearbeitet werden sollen. Von einer Pleite sei die Kommune aber noch weit entfernt. „Wir sind nicht insolvent“, so der Bürgermeister. Auch Kassenkredite zur Überbrückung von Zahlungsengpässen seien bislang keine Option. Marbach muss in den kommenden Wochen bei den Stadträten Überzeugungsarbeit leisten, damit sie den Verwaltungsplan akzeptieren. Richtungsweisend wird da schon das Urteil des Haupt- und Finanzausschuss am 6. Juni. Der Stadtrat von Raguhn-Jeßnitz soll dann am 20. Juni final sein Votum abgeben.
(mz)