Geburtstag am 24. Dezember Geburtstag am 24. Dezember: Jubilar: Hat Spaß gemacht
Gräfenhainichen/MZ. - Geschäftstüchtige Leute verkaufen Postkarten, dem gewünschten Jahrgang angepasst. Interessant ist der Aufdruck. Für das Jahr 1926 beispielsweise ist zu lesen, dass Deutschland 62 140 619 Menschen bevölkerten, der monatliche Durchschnittsverdienst bei 166 Reichsmark lag, eine Flasche Bier immerhin 82 Pfennig und ein Liter Milch nur 25 Pfennig kosteten. Und, dass in diesem Jahr 1 227 900 Kinder geboren wurden.
Einer davon ist Gerhard John. Außerdem ist er ein richtiges Christkind, denn er erblickte am 24. Dezember 1926 im schlesischen Goldberg das Licht der Welt. "Aber dafür kann ich natürlich nicht. Nur mit den Geschenken ist das schon ein bisschen ungünstig. Da gibt es eben früh was zum Geburtstag und abends zu Weihnachten", sagt er schmunzelnd.
Schon blitzt der Schalk in Johns Augen und der Mund unter dem schmalen Oberlippenbart nimmt fast spitzbübische Züge an. So ist er und so kennen ihn vor allem seine karnevalistischen Freunde. Jahrelang hat er da mit gemacht. So manche Schenkelklopfer gingen auf sein poetisches Talent und die nicht minder überzeugende Vortragskunst. Zwei CD vom Karnevalsklub mit etlichen Kostproben Johnschen Humors gab es jetzt zum Geburtstag. Da freute sich der gelernte Anzeigen- und Akzidenzsetzer beim damaligen Goldberger Tageblatt.
Doch Johns Rückblick auf ein dreiviertel Jahrhundert offenbart auch Schattenseiten. 1944 ging es zum Arbeitsdienst, "auf den letzten Drücker" noch zur Luftwaffe und dann folgte französische Kriegsgefangenschaft bis zum 30. Juli 1948. Da waren seine Eltern schon in Gräfenhainichen sesshaft geworden. Der junge Schriftsetzer hatte Glück, fand in der Buchdruckerstadt Arbeit und Anerkennung. Privat blieb das Glück von kurzer Dauer. Beide Kinder und seine Ehefrau starben.
Ende 1957 heiratete er seine heutige Ehefrau Erika, ist mit ihr glücklich, und beim Erzählen gewinnt er das Lachen zurück. Überhaupt, die 75 Jahre sieht man dem Mann nicht an. Plaudern kann er wie ein Buch. Das wiederum ist kein Wunder, interessiert ihn doch nach wie vor alles, was auf dieser Welt passiert. Schon ab Ende 1949 befasste sich John mit der arabischen Schrift ("Mich hat was Neues gereizt."). Später kam unter anderem noch chinesisch dazu. Die guten DDR-Beziehungen zu Ägypten brachten bis zur Wendezeit der Gräfenhainichener Druckerei jede Menge Aufträge und weltweite Anerkennung. Von Protokollen bei Staatsbesuchen ("Da rückte uns manchmal ein Geheimpolizist nicht von der Pelle") bis zu monatlichen Ilustrierten reichte die Palette. "Hat Spaß gemacht", sagt er heute und "ich hatte immer gute Mitarbeiter". Jetzt sorgen drei erwachsene Söhne mit ihren Familien (zwei Enkelkinder) für Abwechslung.
Im "Arbeitszimmer", das gut und gerne auch als zeitgeschichtliches Museum durchgehen würde und jedes Stück an den Wänden eine eigene Geschichte erzählen könnte, zwitschern mehrere exotische Vögel in ihren Käfigen. Sie tun dies mit der gleichen Lebendigkeit wie ihr Ernährer, der sein Lebensmotto mit zwei Worten umreißt: "Nicht rosten".