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Friedhof in Thalheim Friedhof in Thalheim: Kraftpaket Wurzel

Von Sylvia Czajka 23.08.2013, 17:30
Überall auf dem Thalheimer Friedhof: Pappelschösslinge
Überall auf dem Thalheimer Friedhof: Pappelschösslinge Ruttke Lizenz

Thalheim/MZ - Brigitte Köppe sieht immer den gleichen Film ablaufen. Automatisch bückt sie sich nach jedem Halm im Boden, zieht, wirft weg. Wie oft sie sich schon in dieser Haltung befunden hat, sie weiß es nicht. Sie weiß nur: Sie muss sich immer öfter krumm machen. Denn Pappelschösslinge schießen auf dem Thalheimer Friedhof wie Spargel aus dem Boden und zerstören das Friedhofsbild, bringen gar Grabsteine zum Wanken. „Man glaubt kaum, welche Kräfte hier wirken“, meint Köppe. „Die Totenruhe“ sieht sie gestört.

Ein Zustand, der nicht mehr akzeptabel ist, sagen auch Helene Schumann, Marion Stammer und Gerlinde Fickert. Sie alle trauern, um Angehörige und Freunde. Doch sie wollen es nicht inmitten der Pappel-Ableger. Das Problem: Vor knapp zwei Jahren wurden etwa zehn bis 15 Pappeln auf dem Thalheimer Friedhof gefällt. Die Wurzeln jedoch blieben an Ort und Stelle. Die haben sich mittlerweile Raum verschafft und sorgen für ratlose Gesichter bei den Thalheimern.

Thomas Eisel staunt schon lange nicht mehr über die Kraft, die in Wurzeln steckt. Er habe Pappelschösslinge gesehen, die Bitumen wie Kaugummi durchbohren, berichtet der Mühlbecker Gartenbauingenieur. Die Pappel sei ein Sonderfall. Sie versuche, ihre Art zu erhalten. Ihre Wurzel können ein System von 20 Metern aufbauen, weiß Eisel aus Erfahrung. Mit Spaten und Axt rücken Friedhofsverwaltung und Grabpfleger den Schösslingen seit Monaten zu Leibe. Doch bisher ohne Erfolg. Der wird auch weiter ausbleiben, ist sich der Fachmann sicher. Wenn die Wurzeln nicht genug Luft bekommen, werden sie aggressiv. Will man Pappelwurzeln erfolgreich bekämpfen, müsse die Substanz geschwächt werden. Eisel spricht aus Erfahrung - auf dem Zschornewitzer Friedhof (Kreis Wittenberg) sei der Zustand ähnlich gewesen.

"Die Pappeln mussten aus sicherheitstechnischen Gründen gefällt werden"

Da nach der Fällung der Pappeln in Thalheim, die Wurzelstöcke nicht entfernt wurden, komme man um eine „chemische Keule“ nicht herum. Die Substanz müsse mit viel Geduld per Hand und Pinsel auf die Blätter der Schösslinge aufgetragen werden. Das Herbizid transportiere das Mittel in die Wurzeln. Diese sterben dann ab. Der Kostenaufwand würde sich in Grenzen halten. Die Zeit sei es, die hier zu buche schlägt, erläutert Thomas Eisel.

Von Seiten der Stadtverwaltung Bitterfeld-Wolfen heißt es: „Die Pappeln mussten aus sicherheitstechnischen Gründen gefällt werden. Ein vollständiges Entfernen der Horizontalwurzeln ist jedoch auf einem Friedhof nicht möglich. Wir empfehlen, die Schösslinge im Rahmen der Grabpflege mittels Messer oder Spaten zu entfernen.“ Natürlich wisse man von der Möglichkeit, dass es auch chemische Optionen gebe, teilt Pressesprecher Michael Mohr weiter mit. Für die Stadt jedoch sei die bisherige Variante die praktikabelste Lösung.

Das sieht Thalheims Ortsbürgermeister Manfred Kressin (CDU) anders. Er kenne die Situation auf dem Friedhof und wisse, dass Hacke und Spaten keine dauerhafte Lösung sind. Er und der Ortschaftsrat wollen sich während einer der nächsten Sitzung en Fach- und Sachkompetenz aneignen, um den Pappelschösslingen Herr zu werden, sagt Manfred Kressin.