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Filmfabrik Wolfen Filmfabrik Wolfen: Roter Fünfzack auf dem 041

Von Christine Färber 08.12.2015, 10:08
Im Winter 1990 wird der rote Stern runtergenommen.
Im Winter 1990 wird der rote Stern runtergenommen. Michael Maul Lizenz

Wolfen - Da hängt er am Kranhaken. Der einstige Stolz des VEB Filmfabrik Wolfen wird eingeholt. Man schreibt das Jahr 1990. Und man braucht keinen Bruderstern mehr.

Oder war der Sowjetstern gar nicht der Stolz der „Film“? Manfred Gill, langjähriger Archivar hier, lächelt und antwortet mit einem typischen Augenaufschlag. „Nee, das glaub ich nicht, dass das der Stolz war“, sagt er. „Außerdem - ich kann mich nicht erinnern, wann der mal geleuchtet hat.“ Und das - eben leuchten - war ja des Sterns Job. Denn er sollte künden von Planerfüllung in der sozialistischen Produktion. So hatten es sich aber die sowjetischen Genossen vorgestellt. Und in ihrem Land war das seit Lenin und der großen Oktoberrevolution gang und gäbe. Nicht nur das. Es war sozusagen Pflicht.

Der Stern war in diesem Fall das Symbol der Revolution der Arbeiter. Budyonny trug ihn an der Mütze, die Leute trugen ihn im Herzen. Und die Betriebe auf dem Dach. Warum er auch auf dem der Filmfabrik prangte, ist schnell erzählt: Die Sowjets haben ihn, als zwischen 1945 und 1953 der Betrieb Teil der Sowjetischen Aktiengesellschaft (SAG) war, dort befestigt. Schließlich war die Filmfabrik ihr Betrieb und das zeigten sie.

Hammer und Sichel leuchten weit

Auch dieser Stern, circa zehn Meter hoch, war so konstruiert, dass er leuchten und man die Symbole der sozialistischen Herrschaft - Hammer und Sichel - weithin sehen konnte. „Zu DDR-Zeiten hat er nicht mehr geleuchtet. Wir konnten ja nicht jeden Tag Planerfüllung melden“, sagt Gill. Und wie er das sagt, klingt es durchaus zweideutig. Wie meint er das wohl? Er lächelt und meint nur: „Wir hatten ja viele Zwischenprodukte. Außerdem waren Reinigungsarbeiten an den Anlagen zu erledigen, da wurden die runtergefahren. Das ging gar nicht, dass man so abrechnete wie tausend Paar Socken hergestellt oder tausend Hektoliter Bier gebraut“, erklärt er.

Obwohl: In manch anderen Firmen, Bergwerken vor allem, gab es den leuchtenden roten Stern sehr wohl. Das, weiß Gill, hing mit der Aktivistenbewegung zusammen. Adolf Hennecke und so - wir erinnern uns?

Fünfzack aus dunkelroter Paste

Wie auch immer - der Stern blieb all die Jahre, die die DDR überstand, in Wolfen dort, wo er war. Zwei Jahre vor der Wende wurde er sogar runtergenommen und erneuert. Der Fünfzack jetzt war gemacht aus dunkelroter Plaste. Undurchsichtiger. Daran erinnert sich Manfred Gill noch ganz genau. Und auch daran: „Am 29. Januar 1990 wurde er endgültig vom Gebäude 0041 runtergenommen. Still und leise. Nachmittags, als kaum noch Belegschaft da war.“ Wer hätte es je gedacht: Das kleine Land DDR trennte sich allerorten von seinem großen Bruder Sowjetunion. Hobby-Fotograf Michael Maul, damals Mitarbeiter der Filmfabrik, kam zufällig vorbei, sah den Stern schweben. Er hielt den fast schon historischen Moment für immer fest. Auf Orwo-Film.

Eine Geschichte fällt Gill noch ein, bevor er seine Sammlung der Rote-Stern-Fotos schließt. Die hat zu tun mit - man weiß es nicht und kann sich seinen eigenen Reim machen - mit Stolz oder einfach nur Angst. Der einstige Werksfotograf hat sie Gill vor nicht allzu langer Zeit erzählt. Der Fotograf sollte 1960 für einen Artikel in der Zeitschrift „Wissen und Leben“ eine Aufnahme der Filmfabrik liefern.

Bedingung: Der Stern muss drauf. Das fiel bei der beeindruckenden Größe des sozialistischen Kampfsymbols nicht schwer. Als der damalige Betriebsdirektor das (fast malerisch schöne) Foto des Hautgebäudes, gesäumt von lauter Grün, sah, ranzte er den Fotografen an. Man wähne sich eher in einem Park als in einem sozialistischen Großbetrieb. Der Fotograf löste das Problem flink und unaufgeregt: Er versetzte kurzerhand das Kraftwerk mit zwei beeindruckenden Schornsteinen rechts neben das Direktorengebäude. Herz, was willst du mehr?

„Tja“, meint Gill und lacht, „da hat die Parteiräson gesiegt.“ Und die hielt bekanntermaßen an bis 1990, als man sich endlich wagte, den Stern zu entfernen. Auffindbar ist das gewaltige Stück dunkelroter Plastik nicht mehr - im Gegensatz übrigens zu den ORWO-Buchstaben, die unlängst aus ihrem Lager geholt worden waren und in einer großformatigen Zeitung nochmal zu Ehren kamen. „Der Stern wurde verschrottet“, verrät Manfred Gill. Schade, man hätte ihn heute vielleicht doch gern im Museum gesehen. (mz)

Das manipulierte Foto: rechts das Kraftwerk gehört dort nicht hin.
Das manipulierte Foto: rechts das Kraftwerk gehört dort nicht hin.
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