Filmfabrik Wolfen Filmfabrik Wolfen: Auch das Magnetband wird nun in Wolfen hergestellt
WOLFEN/MZ. - Und diese Idee, ein Magnetband zur Tonaufzeichnung herzustellen, war eine Idee aus eigenem Hause. Grunderfahrungen waren da: 1929 zum Beispiel hatte man bereits einen Ton-Negativfilm (TF1) auf Silberbasis zur Vertonung von Kinofilmen nach dem Triergonverfahren (Lichttontechnik) entwickelt und den Filmstudios zur Verfügung gestellt.
Zudem wusste man in Wolfen davon, dass seit 1933 die BASF gemeinsam mit der AEG an einem Verfahren zur magnetischen Schallaufzeichnung arbeitete. Im September 1933 besuchte der Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung der Filmfabrik, Professor John Eggert, erstmals die BASF, um sich über den aktuellen Stand der Arbeiten zu informieren. Die beiden Konzerne der I.G. Farben arbeiteten fortan zusammen an der Entwicklung des Magnetbandes. Diese Kooperation lag auf der Hand: Hatte die Filmfabrik Erfahrungen auf dem Gebiet flexibler Trägermateralien, fertigte das Unternehmen am Rhein seit Jahren Pigmente, ein weiteres wichtiges Bauelement des Bandes.
Inzwischen hatte man in Wolfen über die Kooperation hinausgehende Vorstellungen. Mitte 1934 unterbreitete die Filmfabrik sogar den Vorschlag, die Produktion statt in Ludwigshafen in Wolfen aufzunehmen, "da dieses Produkt ... in eine Filmproduktion hineinpasst". Das allerdings ging zu weit, der Vorschlag wurde postwendend mit einem in scharfen Worten formulierten Brief abgelehnt.
Auf der Funkausstellung 1935 stellten AEG und BASF das "Magnetophon" vor. Damit waren Tonaufzeichnungen auf Magnetband und die umgehende Wiedergabe der Schallaufzeichnung möglich. 1941 leitete die Filmfabrik intensive Forschungsarbeiten zur Nutzung der Magnetbandtechnik für die Vertonung von Kinofilmen ein. Auslöser für die Aktivitäten dürfte die Produktion des ersten abendfüllenden deutschen Farbspielfilms "Frauen sind doch bessere Diplomaten" gewesen sein. Die Tonqualität des nach der Lichttontechnik vertonten Streifens war jedoch gegenüber den Schwarzweiß-Kinofilmen miserabel.
Im 2. Weltkrieg nutzte die Wehrmacht das "Magnetophon" zur Kommunikation an der Front. Die Bezeichnungen Graben- und Tornistergerät geben Auskunft über die speziell für diese Anforderungen entwickelte Technik. So war es logisch, dass das Oberkommando des Heeres daran interessiert war, die durch Luftangriffe zunehmend gefährdete Fertigung des Magnetbandes in der BASF in Ludwigshafen an einem sicheren Ort stattfinden zu lassen. Mitte 1943 hatte man sich für den Aufbau eines zweiten Produktionsstandortes in Landsberg / Warthe (heute Gorzow) entschieden. Erst nach energischen Protesten der Filmfabrik wurde am 2. Juli 1943 vom Oberkommando des Heeres die Entscheidung revidiert und festgelegt: Die zweite Fertigungsanlage entsteht in Wolfen.
Ausschlaggebend für die Revision waren die umfangreichen Vorarbeiten, die eine schnelle Produktionsaufnahme in Wolfen ermöglichte. Und schon nach sechs Monaten konnten die ersten Magnetbänder in der ehemaligen Gießerei I hergestellt werden. Der Anwender, die AEG, bestätigte die gute Qualität der Produkte, die in nichts den Ludwigshafener Bändern nachstand. 1944 war man in Wolfen in der Lage, 31 300 Kilometer Magnetband zu fertigen. Doch das währte nicht lange: Mit dem Beschuss der Filmfabrik im April 1945 kam auch die Magnetbandproduktion zum Erliegen.
Die sowjetische Militäradministration jedoch verlor keine Zeit und leitete noch im selben Jahr die Wiederaufnahme der Band-Produktion ein. Es folgte der Aufbau eines umfangreichen Sortimentes von Tonbändern für den Amateurbereich, für halbprofessionelle Zwecke und den Studiobereich. So wurden 1950 ein Magnetfilm zur lippensynchronen Vertonung von Kinofilmen entwickelt, acht Jahre später folgte einer mit aufgebrachten Magnettonspuren für Fernsehfilme. Damit war man so erfolgreich und so weit gekommen, dass 1940 / 41 Forschungsarbeiten auf dem Magnetbandgebiet aufgenommen wurden.
Das Produktionsvolumen des Magnetbandes machte zwar nur 5,5 Prozent der Gesamtproduktion der Filmfabrik aus. Als Material zur Vertonung von Kino- und Fernsehfilmen war es jedoch eine sinnvolle Ergänzung zum Film.
Nach der Offenlegung des deutschen Know-hows zum Ende des zweiten Weltkrieges witterten andere Unternehmen Morgenluft und begannen, in diesen Bereich einzusteigen. So beispielsweise fertigte die Firma Ampex in den USA als erstes ausländisches Unternehmen Magnetbandgeräte und die Firma 3 M stellte die erforderlichen Magnetbänder her.