Es war einmal ein Tanzpalast Es war einmal ein Tanzpalast: Totes Auge in Wolfen zog jahrzehntelang die Massen an

Bitterfeld - Was wird aus den ruinösen Überbleibseln des Gasthauses Klinkig? Nach dem Kauf durch die zur Toko-Gruppe gehörende Media GmbH droht in diesem Jahr der Abriss. Viele Wolfener hoffen, dass das noch verhindert werden kann: „Auch wenn wohl nur noch wenig zu retten ist, wäre ein Abriss schade, denn das Gebäude hat eine Geschichte“, erklärt Claudia Simon, die Vorsitzende des Wolfener Kultur- und Heimatvereins.
Jahrzehntelang war „Klinkig“ Tanzpalast, Kino und Gaststätte, kurzum ein Treffpunkt für viele Wolfener. „Wir hatten dort Tanzunterricht, das war schon etwas Besonderes und Schönes“, erinnert sich Claudia Simon an ihre Jugend. Standardtänze, Polka, Foxtrott, diese Schritte lernte sie damals als Teenagerin an der Leipziger Straße. „Und damals hatten wir auch schon die Miniröcke“, lächelt die Vereinsvorsitzende. Zum Abschlussball wurden dann leckere Essensplatten vom Bäcker nebenan serviert.
In Wolfen stationierten NVA-Soldaten haben gerne die Tanzabende besuchten
Die Abende im Gasthof „Klinkig“ waren abenteuerreich. „Da war Schwof angesagt“, erinnert sich Claudia Simon. Das Haus war lange Zeit beliebter Treffpunkt zum Tanzen und Kennenlernen. Viele Hochzeiten gehen auf erste gemeinsame Stunden im Gasthof Klinkig zurück. „In dem Tanzsaal habe ich meinen Mann kennengelernt. Wir waren oft dort und haben schöne Erinnerungen“, blickt die Reudenerin Dorit Ihme zurück. „Bei Klinkig wurde viel live gespielt, Musikgruppen standen auf der Bühne, und da war alles voll.“ Ihr Mann hatte sie damals in dem großen Saal zum Tanz aufgefordert. Mittlerweile sind die beiden seit 44 Jahren verheiratet.
Claudia Simon erinnert sich außerdem, dass auch die in Wolfen stationierten NVA-Soldaten gerne die Tanzabende besuchten. „Klinkig war eine Institution“, resümiert die Vereinsvorsitzende. Unlängst schrieb auch ein bewegter Kommentator auf Facebook unter einen MZ-Bericht zum drohenden Abriss des Hauses: „Klinkich - Kino, Tanzsaal, mein erster Kinobesuch, meine Tanzstunden, erster Kuss mit Margitta, später: Finale beim kulturellen Wettstreit der Wolfener Schule - das alles verbindet mich mit dem, das nun für immer verschwinden wird.“
Stadt Bitterfeld-Wolfen mühte sich seit Jahren um eine Lösung bei der Schrottimmobilie
Dessen Zukunft liegt seit Dezember in den Händen von Mario Kövari. Er ist Geschäftsführer der Media GmbH. Bislang haben die Vorbesitzer das Areal verfallen lassen. Bis 1998 waren noch ein Schuhgeschäft und ein Bestattungsunternehmen in dem Gebäude beheimatet. Heute sichern nur noch Bauzäune das Gelände. Hin zur Leipziger Straße säumen unschöne Graffiti die Fassade. „Schön sieht es dort nicht mehr aus,“ muss auch Dorit Ihme feststellen. „Es wäre gut, wenn dort etwas geschaffen wird, was attraktiv ist.“ Vor allem Tanzmöglichkeiten fehlen in Wolfen, findet die Reudenerin. „Denn wir tanzen immer noch gerne.“
Die Stadt Bitterfeld-Wolfen mühte sich seit Jahren um eine Lösung bei der Schrottimmobilie. Nun konnte sie den Weiterverkauf vermelden an einen Unternehmer aus der Region. Ein Erfolg. Dem vorherigen Eigentümer drohte sie mit Abriss und Ersatzvornahme am „Toten Auge“ von Wolfen, wie der frühere Gasthof heute genannt wird. Sollten tatsächlich Abrissbagger anrollen, sind es zumindest die Erinnerungen an tolle Abende bei „Klinkig“, die den Menschen niemand mehr nehmen kann. (mz)

