Eisenberg lässt die Zeit vergessen
BURGKEMNITZ/MZ. - Im September 2008 hatte er zugesagt, am Tag der Deutschen Einheit 2009 an der Wäldner-Orgel des Heidedorfes einen Orgelabend zu geben; und gern hat er gerade diesen besonderen Termin wahrgenommen - musste doch auch er während der deutschen Teilung bittere Erfahrungen machen.
Wenn auch der weit gereiste und vielbeschäftigte Künstler im Sommer dieses Jahres mehrfach in unserer Region zu hören war - mir fallen spontan die Städte Dessau und Wittenberg ein - verheißt doch die Ankündigung eines Konzertes mit dem wieder Sachse gewordenen Orgelvirtuosen einen hervorragenden Kunstgenuss - und damit eine bis auf den letzten Platz besetzte Kirche.
So auch am vergangenen Sonnabend in Burgkemnitz: ein auffällig buntes Publikum; Jung und Alt, Konzertgänger und Neugierige, der "Stamm" und Menschen, die zum ersten Male das zum Erntedankfest festlich geschmückte Gotteshaus betreten haben, fanden sich ein. Die ersten Besucher belegten die favorisierten Plätze bereits zwei Stunden vor Beginn.
Und die Zuhörer wurden nicht enttäuscht: Schon das erste Stück, eine Bearbeitung des ursprünglich für Orgel und Orchester konzipierten Händelschen Orgelkonzertes B-Dur op. 7 Nr. 1 für Orgel solo zog auch den Musikfreund auf der letzten Bank in seinen Bann. Alles gestaltet der versierte Organist: barockes Pathos, die Affekte der langsamen Sätze oder virtuoses Laufwerk der Presto-Partien. Doch die Grenzen des Gewohnten sprengt er mit der Interpretation des letzten Satzes, der Bourrée.
Wer Eisenberg je an der Orgel hat spielen sehen, hätte nicht vermutet, mit welch federnder Leichtigkeit die Staccato-Achtel im Pedal und sein straffes Tempo dem von einer volksliedhaften Melodik geprägten Barocktanz Gestalt verleihen können.
Danach kam Bach. Bach, das eigentliche Feld Eisenbergs - geprägt von der "Leipziger Schule" eines Straube, Ramin, Köbler und seines Lehrers Wolfgang Schetelich. Vertreten war Bach mit zwei eher weniger bekannten Werken: der lebendig musizierten Choralpartita "O Gott, du frommer Gott" aus Bachs frühester Schaffensperiode - vielleicht sogar schon zu seiner Lüneburger Internatszeit unter dem Einfluss von Georg Böhm entstanden - und Präludium und Fuge d-Moll, einem Unikat: Das Präludium verzichtet auf das Pedal! Beide Teile des Satzpaares vom Organisten sparsam registriert, doch sehr spannungsreich aufgebaut.
War es gerade das, was den Zuhörern ein so eindringliches Erlebnis bescherte? Gewollte Entspannung in seinem dramaturgisch wohldurchdachten Programm: Joseph Haydns "Stücke für die Flötenuhr" - schön, dass somit auch dieser Jubilar des Jahres 2009 gegenwärtig war.
Und zum Schluss Mendelssohn, der ja in diesem Jahr auf keinen Fall fehlen darf - und schon gar nicht bei Künstlern, die der Stadt Leipzig verpflichtet sind. Die d-Moll-Sonate, eine der anspruchsvollsten des großen Komponisten, Kapellmeisters und Musikorganisators, bildete den krönenden Abschluss. Soviel Gegensätzlichkeit auf engem Raum, soviel Seele und auch Dramatik - Eisenberg ließ Zeit und Stunde vergessen.
Das Publikum applaudierte frenetisch. Obwohl in Zeitnot (20 Uhr hatte er noch ein Konzert an der Silbermannorgel in Rötha zu spielen), quollen die Ideen bei der Zugabe, der freien Improvisation über den Choral "O dass ich tausend Zungen hätte" nur so aus ihm heraus.
Der Konzertabend ist zu Ende. Mit einer reichlichen Kollekte verlassen die Besucher die Kirche. Und Matthias Eisenberg verspricht, 2011 wieder nach Burgkemnitz zu kommen; an die Orgel, die ihm so gut gefällt. So Gott will.